Rz. 23

Nach Verkündung eines erstinstanzlichen Urteils ist es nach § 317 Abs. 1 S. 1 ZPO den Parteien von Amts wegen zuzustellen.

 

Rz. 24

Mit der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung beginnen unter anderem die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist, aber auch die Fristen für die Tatbestandsberichtigung oder die Urteilsergänzung zu laufen.

 

Rz. 25

Wollen die Parteien angesichts des verkündeten erstinstanzlichen Urteils Vergleichsverhandlungen aufnehmen, so stehen sie durch die erfolgte Zustellung und den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfristen unter erheblichen zeitlichen Zwängen. Dies birgt die Gefahr in sich, dass entweder die Vergleichsverhandlungen nicht mit der gebotenen Sorgfalt geführt werden können, oder die Prüfung des Urteils auf offensichtliche Unrichtigkeiten, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Tatbestands, die Bescheidung aller Anträge und die Aussichten eines Rechtsmittels geprüft und entsprechende Maßnahmen sogar veranlasst werden müssen, ohne dass diese bei einem erfolgreichen Abschluss der Vergleichsverhandlungen zum Tragen kommen und ohne dass insoweit eine gesonderte Vergütung anfällt.

 

Rz. 26

Vor diesem Hintergrund eröffnet § 317 Abs. 1 S. 3 ZPO die Möglichkeit, dass das Prozessgericht auf Antrag beider Parteien[11] die Zustellung des Urteils bis zum Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung hinausschiebt.

 

Rz. 27

Damit wird vermieden, dass eine oder beide Parteien gezwungen sind, allein zur Fristwahrung Rechtsmittel einzulegen und dadurch weitere Kosten zu verursachen, die eine vergleichsweise Einigung der Parteien schwieriger gestalten können.

 

Rz. 28

Beachtet werden muss, dass in arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Anwendung von § 317 Abs. 1 S. 3 ZPO ausgeschlossen ist, § 50 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

 

Rz. 29

 

Tipp

Ist zwischen den Parteien bereits nach der mündlichen Verhandlung absehbar, dass Vergleichsverhandlungen aufgenommen werden sollen, die bis zum bestimmten Verkündungstermin noch nicht abgeschlossen sein werden, so können die Parteien auch einen Antrag auf Aussetzung des Termins zur Verkündung der Entscheidung stellen.[12]

 

Rz. 30

§ 317 Abs. 1 S. 3 ZPO verlangt einen übereinstimmenden Antrag[13] beider Parteien. Insoweit ist es erforderlich, dass diese Verfahrensweise zwischen den Prozessbeteiligten erörtert wird und für den Fall der Übereinstimmung sodann jede Partei einen entsprechenden Antrag stellt.

 

Rz. 31

Der Antrag ist an das Prozessgericht zu richten, das die Entscheidung verkündet hat. Soweit das Verfahren dem Anwaltszwang nach § 78 ZPO unterlegen hat, muss auch der Antrag auf Aufschiebung der Zustellung des Urteils durch einen zugelassenen Bevollmächtigten erfolgen.

 

Rz. 32

Die Parteien können, müssen aber keinen Termin nennen, bis zu dem die Verkündung des Urteils aufgeschoben werden soll. Nennen die Parteien keinen Termin, wird die Zustellung bis längstens fünf Monate aufgeschoben.

 

Rz. 33

Zeichnet sich bereits ab, dass der Zweck des Hinausschiebens der Zustellung, d.h. insbesondere eine vergleichsweise Regelung zu finden, nicht mehr erreicht werden kann, kann jede Partei die unmittelbare Zustellung des bereits verkündeten Urteils verlangen.[14]

 

Rz. 34

Nennen die Parteien in ihren Anträgen auf Aufschiebung der Zustellung der verkündeten Entscheidung unterschiedliche Fristen, so hat das Gericht die Zustellung bis zum Ablauf der kürzesten Frist aufzuschieben.[15]

 

Rz. 35

 

Hinweis

Eine weitere Bewilligung der Aufschiebung der Zustellung des Urteils ist allerdings möglich. Zeigt sich also, dass die ursprünglich genannte Frist oder die zu berücksichtigende kürzeste Frist nicht ausreicht, um eine abschließende vergleichsweise Regelung zu finden, so können die Anträge auch in den Grenzen der höchst zulässigen Aufschiebung von fünf Monaten wiederholt werden.

 

Rz. 36

Der Vorsitzende des Gerichts ist danach verpflichtet, die Zustellung des Urteils hinauszuschieben. Allein dies entspricht auch dem Gedanken der Disposition im Zivilprozessrecht, welche grundsätzlich bei den Parteien liegt.

 

Rz. 37

Lehnt das Gericht gleichwohl eine Aufschiebung der Zustellung ab, so ist diese Entscheidung nach §§ 567 ff. ZPO beschwerdefähig.[16]

 

Rz. 38

 

Hinweis

Zu beachten ist, dass es sich um eine sofortige Beschwerde handelt, die in der Notfrist des § 569 Abs. 1 ZPO von zwei Wochen zu erheben ist.[17]

 

Rz. 39

 

Tipp

Damit das Urteil nicht doch zwischenzeitlich zugestellt wird, sollte die sofortige Beschwerde immer beim Ausgangsgericht eingelegt werden.[18]

 

Rz. 40

Für den Antrag auf Hinausschieben der Urteilszustellung fallen keine Gerichtsgebühren an. Auch der Rechtsanwalt erhält für die Antragstellung keine gesonderten Gebühren. Diese zählen zum Rechtszug i.S.d. § 19 RVG.

[11] Antragsmuster unter Rdn 236.
[12] Muster eines Antrags auf Hinausschieben eines Verkündungstermins unter Rdn 237.
[13] Muster eines Antrags auf Hinausschieben der Zustellung eines Urteils unter Rdn 236.
[14] Muster eines Antrags auf unmittelbare Zustellung des Urteils unter Rdn 238.
[15] Zöller/Feskorn, § 317 Rn 3.
[16] Zöller/Feskorn, § 317 Rn ...

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