Rz. 22

Zweiter wesentlicher Regelungspunkt des jeweiligen Prozessfinanzierungsvertrages ist für den Mandanten natürlich die Höhe der für den Finanzierer vorgesehenen Erfolgsbeteiligung. Diese liegt im Regelfall bei 30 % bis zu einer Summe von 500.000 EUR und für den über 500.000 EUR hinausgehenden Anteil bei 20 %. Eventuell liegt die effektive Beteiligungsquote noch niedriger (vgl. Rdn 54). Die Diskussion, ob eine Finanzierung zu einer Beteiligungsquote von 50 % als sittenwidrig überhöht anzusehen wäre,[16] ist somit passé. Dabei ist zu beachten, dass dem Prozessfinanzierer zunächst die von diesem verauslagten Kosten von den effektiv auf die Klage vereinnahmten Beträgen wieder erstattet werden (was vor allem bei nur teilweisem Obsiegen und hinsichtlich der zusätzlichen, nach § 91 ZPO nicht erstattungsfähigen, Gebühr relevant wird). Aus dem danach verbleibenden Erlös wird die quotale Beteiligung des Prozessfinanzierers ermittelt und an diesen ausgezahlt. Dabei fungiert der Anwalt des Anspruchsinhabers zumeist als Zahlstelle, der die Zahlungen über ein Anderkonto abwickelt.

 

Rz. 23

Mit dieser Art der Abwicklung über das Anderkonto verstößt der Rechtsanwalt m.E. nicht gegen das in § 3 Abs. 1 S. 2 BORA bestimmte Verbot, wonach der Rechtsanwalt in einem laufenden Mandat keine Vermögenswerte von dem Mandanten und/oder dem Anspruchsgegner zum Zweck der treuhänderischen Verwaltung oder Verwahrung für beide Parteien entgegennehmen darf. Mit der Regelung des § 3 Abs. 1 S. 2 BORA soll die Vertretung widerstreitender Interessen im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO vermieden werden. Zwischen dem Prozessfinanzierer und dem Rechtsanwalt des Anspruchsinhabers bestehen für gewöhnlich keine Vertragsbeziehungen, gerade auch um den Rechtsanwalt nicht in einen Interessenkonflikt mit dem Anspruchsinhaber als seinem Mandanten zu stürzen. Es besteht auch kein Treuhandvertragsverhältnis, durch welches der Rechtsanwalt sich gegenüber sowohl seinem Mandanten als auch gegenüber dem Prozessfinanzierer zu einer treuhänderischen Abwicklung verpflichtet. Die üblicherweise verwendete Vertragskonstruktion sieht vor, dass der Rechtsanwalt im Finanzierungsvertrag einseitig von seinem Mandanten angewiesen wird, die Einziehung der Prozesserlöse über ein Anderkonto vorzunehmen und die Prozesserlöse gem. den Regelungen des Finanzierungsvertrages an die Parteien auszukehren, vgl. § 5 Ziffer 6 i.V.m. Anlage 2 (Anweisung) des beigefügten Mustervertrages der LEGIAL AG (siehe Rdn 81).

Will man in dieser Art der Abwicklung einen Interessenwiderstreit beim Rechtsanwalt annehmen, so könnte die Abwicklung auch über einen anderen, nicht mit dem prozessführenden Rechtsanwalt in welcher Weise auch immer verbundenen Rechtsanwalt als Treuhänder erfolgen.

 

Rz. 24

 

Hinweis

Bei der vorgenannten Beteiligungsquote handelt es sich jedoch um keine fixe Größe, die nicht verhandelbar wäre. Je nach Güte und Qualität des zur Finanzierung anstehenden Falles obliegt es dem Geschick des jeweiligen Anwaltes, für seine Mandanten eine niedrigere Erfolgsbeteiligung im Einzelfalle herauszuhandeln. Dies wird ihm vor allem bei hohen Streitwerten und damit hohen absoluten Erlösbeteiligungsbeträgen und umso eher gelingen, je höher die Erfolgswahrscheinlichkeit und je besser die Bonität des Beklagten vom Prozessfinanzierer eingeschätzt wird. Im Gegenzug wird der Anwalt zu berücksichtigen haben, dass gerade gewerbliche Prozessfinanzierungsunternehmen streng an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet kalkulieren und damit vorgenannte 30/20 %-ige Erfolgsbeteiligungsquote rechnerisch dem übernommenen Durchschnittsrisiko entspricht. Ein erheblicher Verhandlungsspielraum wird sich daher nur dort auftun können, wo der angetragene Fall tatsächlich oder zumindest dem Prozessfinanzierer vermittelbar von diesem Durchschnittsrisiko abweicht. Selbstverständlich kann es auch Konstellationen geben, in denen der Prozessfinanzierer zwar nicht bereit ist, den ihm angetragenen Fall zu seinen Standardbedingungen, wohl aber zu für den Anspruchsinhaber nachteiligeren Bedingungen, also auch einer höheren Erlösbeteiligungsquote, zu übernehmen (etwa bei einer möglicherweise im Ausland durchzuführenden Vollstreckung oder für den Fall von zu erwartenden Streitverkündungen durch den Beklagten). Weitere Verhandlungsspielräume ergeben sich möglicherweise aus den gesetzlichen Neuregelungen zum anwaltlichen Erfolgshonorar in (vgl. oben Rdn 5). Teilweise ergibt sich eine günstige Verhandlungsposition auch dadurch, dass eine Rechtsschutzversicherung einen Teil der Kosten des angestrebten Verfahrens abdeckt, der Finanzierer also nicht 100 % der Kosten zu tragen hat.

[16] Vgl. hierzu Dethloff, S. 2228, 2229; Grunewald, S. 732.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge