Rz. 480

Die Geltendmachung der Gestaltungsrechte aus § 19 VVG sind an bestimmte Voraussetzungen formeller und materieller Natur gebunden.

1. Belehrung über Folgen der Anzeigepflichtverletzung

 

Rz. 481

Die Belehrung über die vorvertraglichen Anzeigepflichten muss sowohl formell als auch inhaltlich ordnungsgemäß sein, damit der Versicherer Rechtsfolgen aus einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit herleiten kann.

 

Hinweis

Ist die Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG nicht ordnungsgemäß, kann der Versicherer aus Anlass einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers keine Gestaltungsrechte i.S.d. § 19 Abs. 24 VVG ausüben. Es bleibt jedoch die Möglichkeit der Arglistanfechtung (§ 22 VVG), da der arglistig handelnden Versicherungsnehmer nicht durch Hinweispflichten geschützt wird.[1085]

[1085] BGH VersR 2014, 565.

a) Textformerfordernis

 

Rz. 482

Das Erfordernis der Textform der Belehrung zu den Folgen der Anzeigepflichtverletzung aus § 19 Abs. 1 VVG dient der Rechtssicherheit.[1086] Gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 VVG stehen dem Versicherer die Rechte auf Rücktritt, Kündigung und Vertragsanpassung nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.

 

Rz. 483

Auch über die Folgen der Verletzung der Nachmeldepflicht (vgl. § 19 Abs. 5 VVG) muss der Versicherungsnehmer besonders in Textform belehrt werden, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer davon ausgeht, dass er seiner Pflicht gegenüber dem Versicherer nachgekommen ist, wenn er ihm vorgelegte Fragen zum Zeitpunkt seiner Antragstellung zutreffend beantwortet und er ohnehin im Rahmen der Antragstellung mit einer Vielzahl an Informationen konfrontiert wird.[1087]

 

Rz. 484

Nach § 126b BGB in der seit dem 13.7.2014 geltenden Fassung[1088] muss, falls das Gesetz Textform vorschreibt, "eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden". Ein dauerhafter Datenträger ist dabei "jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben."

 

Rz. 485

Zuvor sah das Gesetz für die Textform nach § 126 BGB a.F. vor, dass "die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben" werden musste. Umstritten ist (bzw. war) zu § 126 BGB a.F., auf welche Art und Weise genau die Fragen dem Versicherungsnehmer in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise gestellt werden mussten. Im Fokus stand dabei die Frage, ob und inwieweit ein Vorlesen mit einer erst anschließenden Zurverfügungstellung des Textes genügt.[1089]

Für nicht ausreichend wurde in der Rechtsprechung des BGH das Vorlegen eines von einem Versicherungsagenten ohne jede Rückfrage vorausgefüllten Formulars zur Unterzeichnung erachtet; es sollte aber genügen, wenn die Fragen zuvor ordnungsgemäß vorgelesen wurden.[1090] Ordnungsgemäß vorgelesen sind die Fragen durch den Agenten, wenn jede Frage vollständig vorgelesen und im Einzelnen ohne Zeitdruck mit dem Antragsteller besprochen wurde.[1091] Nach entgegengesetzter Ansicht sollte die bloße nachträgliche Kontrollmöglichkeit vor der Unterzeichnung ausreichend sein, unbeachtlich, wie die Fragen vorher aufgenommen wurden.[1092]

Teilweise wurde hingegen sogar die Möglichkeit des Mitlesens der Antragsfragen für nicht ausreichend erachtet und gefordert, dass die Fragen bereits bei Aufnahme der Gesundheitsfragen verkörpert vorliegen müssten.[1093] Diese Ansicht dürfte der Rechtslage nach Inkrafttreten des § 126b BGB (in der Fassung 2014) entsprechen und im Sinne richtlinienkonformer Auslegung auch für davor abgeschlossene Verträge zu bevorzugen sein.[1094]

[1086] BT-Drucks 16/3945, S. 64.
[1087] BT-Drucks 16/3945, S. 65.
[1088] BGBl I S. 3642 vom 27.9.2013.
[1089] Dagegen LG Berlin r+s 2014, 7 (mit Überblick zum Meinungsstand); dafür: Langheid, in: MüKo-VVG, § 19 Rn 67: noch ohne Hinweis auf Gesetzesänderung.
[1090] BGH VersR 2011, 338; vgl. auch OLG Hamm VersR 1991, 212.
[1091] OLG Stuttgart zfs 2012, 386.
[1092] Langheid, in: MüKo-VVG, § 19 Rn 67.
[1093] LG Berlin r+s 2014, 7; Schimikowski in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 19, Rn 10.
[1094] Vgl. LG Kleve NJW-RR 2003, 196; BGH NJW 2010, 3566; EuGH NJW 2012, 2637.

b) Formelle Anforderungen

 

Rz. 486

In den Musterbedingungen des GDV taucht naturgemäß keine "besondere Belehrung" auf. Die Versicherer sind gehalten, den Versicherungsnehmer bereits vor Antragstellung – und nicht erst in den AVB – über die Anzeige- und Nachmeldeobliegenheiten aufzuklären.[1095]

 

Rz. 487

Es ist nicht erforderlich, dass die "gesonderte Mitteilung" im Sinne § 19 Abs. 5 S. 1 VGG auf einem gesonderten Blatt Papier abgedruckt ist.[1096] Vielmehr dürfte die Belehrung ihrer Warn- und Hinweisfunktion auch im Antragsformular gerecht werden können. Selbstverständlich ist bei einer Kombination mit weiteren Inhalten ei...

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