1. Gesetzliche Regelung

 

Rz. 9

Die Regelungen über die BUV in §§ 172 ff. VVG wurden zum 1.1.2008 neu eingeführt und damit erstmals kodifiziert. Das Gesetz orientiert sich dabei an den Musterbedingungen (MB) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer (GDV).[11] Aufgrund der wachsenden praktischen Bedeutung der BUV verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, einen Mindeststandard zu schaffen.[12] Der gesetzlichen Definition kommt daher eine Leitbildfunktion gemäß § 307 BGB zu.[13] Außerdem kann zum Verständnis der gesetzlichen Vorschriften in der Regel auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden, da die Gesetzesreform von dieser keine Abweichungen beabsichtigte.[14]

 

Rz. 10

Soweit die Besonderheiten der BUV nicht entgegenstehen, sind die Vorschriften über die Lebensversicherung entsprechend anwendbar (§ 176 VVG; zur Lebensversicherung siehe § 14 dieses Handbuchs). Praxisrelevant dürfte indes lediglich § 150 VVG sein, nach dem außerhalb der betrieblichen Altersversorgung für den Abschluss einer Versicherung auf einen Dritten als versicherte Person dessen schriftliche Einwilligung erforderlich ist.[15]

Die Regelungen über die BUV sind außerdem nach § 177 Abs. 1 VVG auf alle Versicherungsverträge, bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht, entsprechend anzuwenden, mit Ausnahme von Kranken- und Unfallversicherungen (vgl. § 177 Abs. 2 VVG).[16]

Ansonsten gilt für die BUV allgemeines Versicherungsrecht, sofern keine Sonderregelungen bestehen, so dass diesbezüglich auf die Bearbeitung zum Allgemeinen Teils des VVG in § 1 dieses Handbuchs verwiesen wird.

[11] Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks 16/3945, S. 105 ff.
[12] Mertens in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 172, Rn 2.
[13] Neuhaus, A, I, Rn 33.
[14] Lücke in: Prölss/Martin, Vor § 172, Rn 4.
[15] Vgl. Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, § 46, Rn 11.
[16] Siehe aber zur Ratenschutz-Arbeitsunfähigkeitsversicherung: BGH VersR 2013, 1397.

2. Übergangsrecht

 

Rz. 11

Gemäß § 4 Abs. 3 EGVVG sind auf Altverträge die §§ 172, 174 bis 177 VVG generell nicht anzuwenden.

 

Rz. 12

Für die Frage, ob und inwieweit altes oder neues VVG anzuwenden ist, kommt es darauf an, wann der Versicherungsfall eingetreten ist. Ist bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten, richtet sich dessen Abwicklung (Anzeigepflichtverletzung und Rechtsfolgen) noch nach dem alten VVG (Art. 1 Abs. 2 EGVVG).[17]

 

Rz. 13

Bei einem Versicherungsfall nach 2009 gilt das sog. Spaltungsmodell: Die Frage der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung ist nach altem Recht zu beantworten, die der Rechtsfolgen nach neuem Recht.[18]

 

Rz. 14

Für Altverträge konnte der Versicherer die AVB mit Wirkung zum 1.1.2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des neuen VVG abweichen und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Bedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede bis spätestens zum 30.11.2008 in Textform mitgeteilt hatte (Art. 1 Abs. 3 EGVVG). Überraschenderweise haben viele Versicherer die alten Versicherungsbedingungen nicht angepasst.

[17] OLG Frankfurt VersR 2012, 1105.
[18] OLG Frankfurt VersR 2012, 1107; LG Köln VersR 2012, 1108; vgl. auch zu § 28 VVG: BGH VersR 2011, 1550.

3. Allgemeine Versicherungsbedingungen und Musterbedingungen

 

Rz. 15

In der Praxis wird das Versicherungsvertragsverhältnis stark von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (= AVB) geprägt. Seitdem im Jahr 1994 die Genehmigungspflicht von AVB durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (heute Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht = BaFin) entfallen ist, darf jeder Versicherer den Inhalt seiner Bedingungen grundsätzlich frei wählen. Diese Deregulierung führte zur Entwicklung einer Vielfalt von Bedingungen, die im Wettbewerb um die Kunden entstanden sind.[19] Von den §§ 173, 174 VVG darf gemäß § 175 VVG nicht zum Nachteil des Versicherten abgewichen werden. Grenzen werden außerdem durch die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 307 ff. BGB gesetzt.

 

Hinweis

Angesichts der auf dem Markt befindlichen Regelwerke, die kaum mehr überschaubar sind,[20] muss der Rechtsanwender in jedem Einzelfall unbedingt feststellen, welche Inhalte durch AVB vereinbart sind, und diese inhaltlich und auf ihre Wirksamkeit eingehend prüfen.

Im Anhang sind die Musterbedingungen zur BUV und BUZ des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) mit dem Stand 2.2.2016 (= MB BUV 16 und MB BUZ 16) abgedruckt. Die jeweils aktuellen Musterbedingungen des GDV sind im Internet auf der Homepage des GDV abrufbar.[21] Die Musterbedingungen mit dem Stand vom 28.12.2007 finden sich bei Prölss/Martin,[22] die Bedingungen vom 23.8.2010 und vom 1.10.2013 sind auf der CD-ROM zu diesem Handbuch einsehbar.

[19] Neuhaus, A, I., Rn 15.
[20] Vgl. Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, § 46, Rn 4.
[21] www.gdv.de.
[22] Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. S. 1243 ff., 1305 ff.

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