Rz. 17

Nach § 172 Abs. 2 VVG ist für die Beurteilung der zuletzt ausgeübte Beruf, wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung, also in gesunden Tagen, ausgestaltet war, maßgeblich. Der vom Versicherungsnehmer behauptete Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit ist zugleich der maßgebliche Zeitpunkt für die Entscheidung, ob er nicht mehr in der Lage war, seinem zuletzt ausübten Beruf nachzugehen.[24]

Entscheidend ist grundsätzlich ein Vergleich der Tätigkeiten, die der Versicherte bei Anzeige des Versicherungsfalls noch ausüben kann, mit denen, die er bei ungeschmälerter Leistungsfähigkeit ausüben konnte.[25] Wird leidensbedingt die Arbeitszeit reduziert und der Arbeitsplatz als "Schonarbeitsplatz" umgestaltet, ist diese neu gestaltete Tätigkeit nicht Grundlage der Beurteilung der Berufsunfähigkeit. Hat der Versicherte gerade wegen der Beeinträchtigung, die zur Berufsunfähigkeit führt, eine weniger belastende Stellung angenommen, ist regelmäßig auf den zuvor ausgeübten Beruf abzustellen.[26] In § 2 der MB-BUV/BUZ 16 wird ebenfalls bestimmt, dass es auf den zuletzt ausgeübten Beruf der versicherten Person ankommt, so, wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war. Damit ist klargestellt, dass es nicht auf den erlernten Beruf der versicherten Person ankommt. Der Versicherungsschutz besteht also unabhängig davon, ob während der Vertragsdauer ein anderer Beruf ergriffen und im Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausgeübt wurde. Es kommt grundsätzlich auf den zuletzt ausgeübten Beruf an. Daher ist es auch nicht relevant, ob bei Vertragsschluss ein bestimmter Beruf angegeben wurde oder im Versicherungsschein Erwähnung findet.[27] Vorbehaltlich einer abweichenden Individualvereinbarung besteht daher keine Anzeigepflicht bei einem Berufswechsel, ungeachtet, ob mit dem neuen Beruf eine Gefahrerhöhung verbunden ist.[28] Um wirksam zu sein, muss eine Vereinbarung der maßgeblichen Gefahrerhöhungsumstände in Textform vorliegen (§ 158 Abs. 1 VVG), was in der Regel nicht der Fall ist.

[25] BGH NJW-RR 1996, 795; BGH VersR 1994, 1470; Vgl. auch Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, § 46, Rn 17 f.
[27] BGH NJW-RR 1996, 795.
[28] Zur weitgehenden Einschränkung der Vorschriften über die Gefahrerhöhung durch § 164 VVG vgl. BGH VersR 1992, 213.

1. Berufliche Tätigkeit

 

Rz. 18

Eine Definition des Berufs ist in der Regel vertraglich nicht vorgegeben und muss daher anderweitig bestimmt werden. Grundsätzlich ist der Begriff "Beruf" weit zu verstehen und nicht im Sinne eines bestimmten Berufsbildes. Ein Beruf kann daher jede Tätigkeit sein, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Beruf ist danach nicht nur die aufgrund einer persönlichen "Berufung" ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit, sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft.[29] Dass diese Tätigkeit nach der Rechtsordnung erlaubt sein muss, versteht sich von selbst.[30]

 

Rz. 19

Demgemäß erlegt § 7 Abs. 1d) MB BU 16/§ 4 Abs. 1d) MB BUZ 16 dem Versicherten auf, eine Beschreibung des zuletzt ausgeübten Berufs der versicherten Person, deren Stellung und Tätigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit sowie von danach eingetretene Veränderungen vorzulegen, um Leistungen zu erhalten. Dies bedeutet, dass ein Berufswechsel während der Vertragslaufzeit grundsätzlich unschädlich bleibt und für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit der konkrete neue Beruf entscheidend ist. Auf Angaben im Versicherungsantrag oder -schein kommt es nicht an.[31] Grundsätzlich ist der Beruf maßgebend, von dem die versicherte Person im Leistungsantrag beklagt, ihn nicht länger ausüben zu können.[32]

 

Rz. 20

Zur Bestimmung der Berufsunfähigkeit sind nicht nur gesundheitliche Aspekte relevant. Erst im Zusammenspiel mit den ganz konkreten Anforderungen des maßgeblichen Berufs ergibt sich, inwieweit der Versicherte bei den auszuführenden Tätigkeiten beeinträchtigt ist. Im Prozess genügen daher als Sachvortrag keine Pauschalangaben, wie Berufstyp und Arbeitszeit. Erforderlich ist vielmehr eine genaue Beschreibung der anfallenden Tätigkeiten nach Art, Umfang und Häufigkeit, die für einen Außenstehenden nachvollziehbar ist.[33]

 

Wichtig

Der Darstellung des "Berufes" durch den Versicherten kommt im Hinblick auf die Definition der Berufsunfähigkeit eine besondere Bedeutung zu, da es ihm obliegt, dem Versicherer die letzte ausgeübte Tätigkeit darzulegen, an der sich die weitere Prüfung der Unfähigkeit, diese auszuüben, orientiert. Der Versicherte hat im Prozess hierzu sehr detailliert vorzutragen, um der Gefahr der Unsubstantiiertheit zu begegnen.

Außerdem ist darauf zu achten, dass das Gericht einem zur Prüfung der Berufsunfähigkeit bestellten Sachverständigen konkrete Vorgaben macht, wie die konkrete Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit aussah. Sonst liegen keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vor, um fe...

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