Rz. 79

Ein von einer Partei vorgelegtes Privatgutachten ist kein Sachverständigengutachten i.S.d. §§ 402 ff. ZPO, weil es nicht vom Gericht angeordnet worden ist. Es darf allenfalls mit Zustimmung beider Parteien als Beweismittel verwertet werden.[153] Ein Privatgutachten ist gleichwohl als substantiierter, also qualifizierter, urkundlich belegter Parteivortrag zu werten[154] und löst damit erhöhte Anforderungen an das Bestreiten aufseiten der anderen Prozesspartei aus.

 

Rz. 80

Legt eine Partei ein privates medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Gericht besondere Sorgfalt gefordert. Es darf einen Sachverständigenstreit – wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger – nicht dadurch entscheiden, dass es ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt.[155] Das Gericht muss sich vielmehr durch weitere Beweisaufnahme um die Aufklärung der Widersprüche bemühen[156] und ggf. ein weiteres Gutachten eines dritten Sachverständigen einholen, wenn der Versicherungsnehmer ein einleuchtendes und logisch nachvollziehbares Privatgutachten vorlegt, das dem Gerichtsgutachten widerspricht.[157] Selbstverständlich muss das Privatgutachten den Anforderungen genügen, die an ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu stellen sind. Dazu muss zunächst der Privatgutachter die für die Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde besitzen und unabhängig sein. Ihm müssen sodann die richtigen Fragen gestellt und der zutreffende und vollständige Sachverhalt unterbreitet worden sein. Außerdem müssen seine Feststellungen vollständig, widerspruchsfrei und damit nachvollziehbar und – soweit erforderlich – wissenschaftlich belegt sein. Die Angaben eines behandelnden Arztes genügen nicht.[158]

[153] BGH NJW 1993, 2382; BGH NJW 1986, 3077.
[154] BGH NJW 1986, 3077; OLG Köln VersR 2001, 755.
[155] BGH VersR 2005, 676; BGH VersR 1993, 899; BGH VersR 1987, 179.
[156] BGH VersR 2009, 817.
[157] BGH VersR 2011, 552; BGH IBR 2013, 387; BGH FamRZ 2015, 1023.
[158] BGH r+s 2007, 31; Terno in r+s 2008, 361, 362.

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