Rz. 6

In der Praxis der Verkehrsunfallbearbeitung können in erster Linie Glasbruchschäden eine Rolle spielen. Gem. Ziff. A.2.2.1.5 AKB 2015 ist der Kaskoversicherer zum Ausgleich sämtlicher "Bruchschäden an der Verglasung des Fahrzeugs" verpflichtet, wobei allerdings Folgeschäden ausgeschlossen sind. In Ziff. A.2.2.1.5 AKB 2015 wird – anders als in Ziff. A.2.2.5 AKB 2008 und § 12 Abs. 2 AKB a.F. – der Begriff "Verglasung" näher definiert. Zur Verglasung gehören danach Glas- und Kunststoffscheiben (z.B. Front-, Heck-, Dach-, Seiten- und Trennscheiben), Spiegelglas und Abdeckungen von Leuchten. Versichert ist damit jede Art von Scheiben, unabhängig davon, ob sie aus Glas oder Kunststoff bestehen.[3] Auch Scheinwerfer- oder Blinkerabdeckungen aus Kunststoff dürften daher unter den Versicherungsschutz fallen. Nicht zur Verglasung gehören hingegen Glas- und Kunststoffteile von Informationssystemen, Displays, oder Monitoren sowie auch Leuchtmittel wie z.B. Glühbirnen.[4]

Problematisch kann die Prüfung werden, ob und inwieweit bei der Abrechnung von Glasbruchschäden Abzüge "neu für alt" zu vorzunehmen sind.

 

Rz. 7

Muster 15.3: Kein Abzug neu für alt bei Glasbruchschäden an der Windschutzscheibe

 

Muster 15.3: Kein Abzug "neu für alt" bei Glasbruchschäden an der Windschutzscheibe

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Abrechnung der Schadensache vermag ich mich nicht einverstanden zu erklären. Durch Schreiben vom _________________________ brachten Sie von der vom Sachverständigen ermittelten Entschädigungsleistung pauschal _________________________ EUR in Abzug. Zur Begründung führten Sie aus, der Abzug diene dem Ausgleich "neu für alt". Der Abzug ist im Wesentlichen unbegründet.

Der Umfang Ihrer Ersatzpflicht richtet sich nach den dem Vertrag zugrundeliegenden AKB. Danach ist der Schaden bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts zu ersetzen. Von den Kosten der Ersatzteile ist grundsätzlich ein dem Alter und der Abnutzung entsprechender Abzug zu machen. Der Abzug "neu für alt" richtet sich nach denselben Grundsätzen wie die schadensrechtliche "Vorteilsausgleichung". Ein Abzug "neu für alt" setzt voraus, dass der Geschädigte durch eine Ersatzleistung Aufwendungen erspart, die er im Laufe der Lebensdauer eines Kraftfahrzeugs hätte tätigen müssen, da sie Folge eines allgemeinen Verschleißes sind. Die Fensterscheiben eines Kfz erreichen i.d.R. aber die gleiche Lebenslänge wie das Kfz selbst.

Fahrzeugverglasungen stellen mithin keine "Verschleißteile" dar, die im Laufe der Lebensdauer des Kraftfahrzeugs ausgetauscht werden müssen. Danach scheidet ein Abzug "neu für alt" bei Glasbruchschäden grundsätzlich aus (OLG München, Urt. v. 25.6.1987 – Az. 24 U 556/86 = NJW-RR 1988, 90; OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.12.1992 – Az. 12 U 116/92 = zfs 1994, 20 = VersR 1993, 1144; AG Wetzlar, Urt. v. 20.9.2001 – Az. 35 C 1211/01 = VersR 2002, 752). Einzige Ausnahme hiervon kann in Einzelfällen die Windschutzscheibe sein. Die Rechtsprechung akzeptiert hier aber nur ausnahmsweise einen Abzug "neu für alt", der sich dann allerdings nach dem Grad ihrer Zerkratzung und den konkreten Alterserscheinungen bemisst (LG Aachen, Urt. v. 25.11.1988 – Az. 5 S 343/88 = r+s 1989, 320; AG Schweinfurt, Urt. v. 3.7.1989 – Az. C 423/89 = r+s 1989, 321; AG Gießen, Urt. v. 21.9.1995 – Az. 46 C 1824/95 = zfs 1996, 20).

Das Fahrzeug meines Mandanten war zum Unfallzeitpunkt erst _________________________Jahre alt. Die Windschutzscheibe wies keinerlei bzw. nur völlig belanglose Zerkratzungen auf. Dies ist erforderlichenfalls zeugenschaftlich belegbar. Ein Abzug "neu für alt" scheidet danach hier aus.

Ich habe Sie deshalb aufzufordern, die offene Versicherungsleistung von _________________________ EUR zur Meidung einer gerichtlichen Klärung unverzüglich, spätestens jedoch bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist)

auszugleichen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[3] Anders noch LG Köln, Urt. v. 22.4.1999 – Az. 24 S 114/98 = SP 1999, 322; AG Köln, Urt. v. 2.11.1998 – Az. 142 C 109/98 = VersR 2000, 1412; AG Düsseldorf, Urt. v. 2.8.2001 – Az. 50 C 6608/01 = SP 2002, 69 jeweils zu § 12 Abs. 2 AKB a.F.
[4] AG Stuttgart, Urt. v. 10.12.1987 – Az. 15 C 9783/87 = VersR 1988, 1019.

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