Rz. 14

Weitaus wichtiger für die Praxis der Verkehrsunfallbearbeitung sind Vollkasko-Versicherungsverträge. Sie bieten auch Schutz bei Unfallschäden. Zu einer wesentlichen Besserstellung des Geschädigten kann die Anwendung des sog. Quotenvorrechts gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG führen. Nimmt der Geschädigte seine Vollkaskoversicherung in Anspruch, gehen seine Ersatzansprüche gegen den Schädiger zwar auf den Vollkaskoversicherer über. Der Anspruchsübergang erfolgt jedoch nur insoweit, als der Anspruch zusammen mit der gezahlten Versicherungssumme den Schaden des geschädigten Versicherungsnehmers übersteigt.

 

Rz. 15

Die Inanspruchnahme des Vollkaskoversicherers bietet sich in erster Linie an, wenn

der Schaden allein vom Versicherungsnehmer verursacht und verschuldet wurde,
dem Versicherungsnehmer ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung zur Last fällt (dann ist das sog. Quotenvorrecht zu beachten) oder
sich die Regulierung des Schadens durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer verzögert.
 

Rz. 16

Wichtigstes versichertes Ereignis in der Vollkaskoversicherung ist der Unfall als unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Eine solche Unmittelbarkeit liegt auch dann vor, wenn der Schaden nicht unmittelbar, sondern erst bei dem weiteren Betrieb des Kfz eintritt.[18] Tritt jedoch eine unterlassene Handlung des Versicherungsnehmers hinzu (wie etwa die unterlassene Reparatur eines undichten Dachs) fehlt es am Unmittelbarkeitszusammenhang.[19]

Voraussetzung ist ferner, dass das Schadensereignis von außen auf das Kfz einwirkt. Dies dienst der Abgrenzung von nicht versicherten Betriebsschäden – ein solcher innerer Betriebsvorgang liegt beispielsweise vor, wenn sich Reifenteile ohne Einwirkung von außen verschleißbedingt lösen und dann das Kfz weiter beschädigen.[20]

Schwierig ist die Abgrenzung zu den Ausschlüssen eines Brems- und Betriebsvorgangs. Ausgenommen sind aber nur Schäden, die allein durch einen Bremsvorgang hervorgerufen werden, die insbesondere bei dem Motor denkbar sind. Weitere Folgen des Bremsens wie etwa eine Kollision sind natürlich mitversichert.[21] Bei der Annahme eines Schadens durch einen nicht versicherten reinen Betriebsvorgang kommt es darauf an, ob sich bei der Einwirkung das normale Betriebsrisiko des Kfz gem. seiner Zweckbestimmung realisiert hat und der Fahrer damit rechnen konnte.[22] Diese Klärung der Verwendung des Fahrzeugs ist daher insbesondere bei Transport-Lkw, Traktoren und Baustellenfahrzeugen von besonderer Bedeutung. Wenn z.B. das Befahren von unbefestigten Wegen zum gewöhnlichen Betrieb gehört, unterfällt diese Nutzung dem gewöhnlichen Betriebsrisiko.[23] Anders kann es dann wiederum bei einem Aufprallschaden sein.

 

Rz. 17

Muster 15.5: Deckungsschutz bei Unfallereignis als Anprallschaden

 

Muster 15.5: Deckungsschutz bei Unfallereignis als "Anprallschaden"

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr Versicherungsnehmer _________________________ aus _________________________ beauftragte mich mit der Wahrnehmung seiner Interessen in der im Betreff genannten Vollkaskoschadensache. Eine Kopie der auf mich lautenden Vollmacht füge ich in der Anlage bei.

Durch Schreiben vom _________________________ lehnten Sie Ihre Eintrittspflicht für den Schadensfall vom _________________________ insgesamt mit dem Hinweis auf einen angeblichen Betriebsschaden ab. Diesen Risikoausschluss haben aber Sie zu beweisen und der Sachverhalt bietet hier ein anderes Bild.

In diesem Fall geht es aber um einen Schaden, der direkt durch den "Sturz" des versicherten Kfz bei einem Baustellenunfall als Aufprallschaden eingetreten ist: _________________________

Die Schäden, welche durch dieses Umstürzen versursacht wurden, sind als Unfallschaden gedeckt, da aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers derartige Schäden nicht mehr dem Betrieb zuzurechnen sind (So schon BGH VersR 1969, 940; BGH VersR 1998, 179 und OLG Celle r+s 1999, 360). Es handelt sich dann nicht mehr um ein im Rahmen der Zweckbestimmung für den Betrieb des Kfz mitkalkuliertes Risiko.

Abschließend habe ich Sie daher aufzufordern, die mit _________________________ EUR bezifferte Kaskoentschädigung abzüglich des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts in Höhe von _________________________ EUR unverzüglich, spätestens jedoch bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist)

auszugleichen. Nach fruchtlosem Fristablauf werde ich meinem Mandanten die unverzügliche Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe empfehlen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[18] Grundlegend: BGH VersR 1954, 113.
[19] OLG München VersR 1959, 103.
[20] OLG Düsseldorf zfs 1998, 180.
[21] So schon BGH VersR 1969, 940.
[22] OLG Koblenz VersR 2000, 485; OLG Hamm NZV 1994, 156.
[23] OLG Hamm NZV ...

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