Rz. 460

§ 1629 Abs. 4 BGB erwähnt den Fall, dass der Minderjährige Mitglied einer Gesellschaft ist, und knüpft daran eine doppelte Vermutung: Wenn nicht binnen dreier Monate die Kündigung der Gesellschaft erklärt wurde, so sei anzunehmen, dass die aus einem solchen Gesellschaftsverhältnis herrührende Verbindlichkeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit entstanden ist und dass das gegenwärtige Vermögen des volljährig Gewordenen bereits bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden war. Kann der Volljährige diese den Gläubigern zugute kommende Vermutung nicht widerlegen, so hat er nicht die Möglichkeit, seine Haftung gemäß §§ 1629a Abs. 1, 1990, 1991 BGB zu beschränken.

 

Rz. 461

In Betracht kommen nur Gesellschaften, die gekündigt werden können, also grundsätzlich nicht AG und GmbH. Personengesellschaften, BGB-Gesellschaft, OHG und KG, können vom Minderjährigen gekündigt werden.

 

Rz. 462

Mit dem Eintritt in die Volljährigkeit erlangt der Erbe das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB. Er kann mit sofortiger Wirkung aus der BGB-Gesellschaft, der OHG (§ 133 HGB)[15] oder als persönlich haftender Gesellschafter aus der KG (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 3 HGB) ausscheiden und so für die Zukunft seine Haftungsrisiken beseitigen. Die Volljährigkeit ist kein Grund, nach § 139 HGB die Umwandlung seiner Beteiligung in eine solche eines Kommanditisten gem. § 139 HGB verlangen zu können. Das Kündigungsrecht besteht auch dann, wenn die Gesellschaft für bestimmte Zeit eingegangen ist.

 

Rz. 463

Hat der volljährig gewordene Miterbe die Gesellschaft nicht binnen dreier Monate gekündigt, so muss er die dem Gläubiger nach § 1629a Abs. 4 BGB zugute kommenden Vermutungen widerlegen, wenn er die Beschränkung seiner Haftung auf das beim Volljährigwerden vorhandene Vermögen herbeiführen will. Die Frist beginnt mit der Kenntnis von der Gesellschafterstellung oder der fahrlässigen Unkenntnis davon (§ 723 Abs. 1 S. 4 BGB). Mangels einer anderen gesellschaftsvertraglichen Regelung ist die Kündigung der BGB-Gesellschaft formfrei. Die Kündigung des persönlich haftenden Gesellschafters einer OHG oder KG muss nach einer Ansicht durch Klage gemäß § 133 HGB geltend gemacht werden,[16] auch wenn es sich nicht um eine Liquidationskündigung, sondern um eine Austrittskündigung handelt. Nach der anderen Auffassung ist die Kündigung gemäß § 105 Abs. 3 HGB, § 723 BGB formlos möglich.

 

Rz. 464

Das Kündigungsrecht nach § 1629a Abs. 2 BGB besteht nicht, wenn der volljährig Gewordene persönlich haftende Gesellschafter durch eine Genehmigung des Familiengerichts zum selbstständigen Betrieb des Erwerbsgeschäfts, hier also der Position des Gesellschafters, ermächtigt wurde (§ 112 BGB). Solche gerichtliche Ermächtigung ist nicht davon abhängig, dass der Minderjährige mit familiengerichtlicher Genehmigung (§§ 1643, 1822 Nr. 3 BGB) die Gesellschaft mitbegründet hat. Die Ermächtigung kann auch dann erteilt werden, wenn der Minderjährige die Gesellschafterstellung im Wege der Sondererbfolge (vgl. Rdn 184 ff.) ererbt oder durch Ausübung eines Eintrittsrechts (vgl. Rdn 191 ff.) erworben hat. Zum Schutz der Mitgesellschafter, insbesondere vor Abfindungsansprüchen des volljährig Gewordenen gemäß § 738 Abs. 1 S. 2 BGB, erscheint solche Ermächtigung nach § 112 BGB sehr bedeutsam.

 

Rz. 465

Ist der Minderjährige Kommanditist, so könnte man ihm aufgrund der Verweisungen (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 3, 105 Abs. 3 HGB, § 723 Abs. 1 Nr. 2 BGB) auch das außerordentliche Kündigungsrecht wegen Erreichens der Volljährigkeit zusprechen. Der Grund mag sein, dass die Kommanditeinlage noch nicht voll eingezahlt ist und der volljährig gewordene Erbe das Haftungsrisiko loswerden will.[17] Dagegen spricht, dass das Risiko im eigentlichen Sinn nicht besteht, weil der Umfang der Haftung nicht unsicher ist.[18]

[15] MüKo/Karsten Schmidt, HGB, § 128 Rn 66; nach a.A. ist § 131 HGB anwendbar: Grunewald, ZIP 1999, 598, 599.
[16] Lorz, in: Ebenroth/Boujong/Joost, § 133 HGB Rn 22.
[17] Grunewald, ZIP 1999, 597, 599.
[18] Binninger, Minderjährigenhaftungsbeschränkung und erbrechtliche Haftungsbeschränkung, 2008, S. 58 f.

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