Rz. 99

Ansatzpunkte für ein Leistungsverweigerungsrecht wegen grober Unbilligkeit (peremptorische Einrede) sind hier aus der Fallkonstellation heraus nicht ersichtlich. Die systembedingte Ungerechtigkeit, die in dem Ansatz des Anfangsvermögens auch mit 0 EUR bei Überschuldung lag, ist durch die Neufassung zum 1.9.2009 mit der Berücksichtigung überschuldeten Anfangsvermögens beseitigt, hätte aber ohnehin nicht über § 1381 BGB korrigiert werden können.[189] Nach § 1381 BGB können nur Einzelfallgesichtspunkte berücksichtigt werden, wobei ausschließlich persönliches Fehlverhalten nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur im Allgemeinen nicht, sondern allenfalls bei sehr schwerwiegenden und lang dauernden Verstößen ausreicht.[190] Allein der Umstand, dass M sich einer anderen Partnerin zugewandt hat, könnte also den Verwirkungseinwand nach § 1381 BGB nicht begründen. Selbst wenn schwerwiegendes und lang dauerndes persönliches Fehlverhalten festgestellt werden kann, scheidet der Verwirkungseinwand aus, wenn der Vermögenszuwachs des ausgleichspflichtigen Ehegatten gerade auf Leistungen des ausgleichsberechtigten Ehegatten beruht, dem das Fehlverhalten angelastet wird.[191]

 

Rz. 100

Grobe Unbilligkeit des Zugewinnausgleichs kann zu bejahen sein, wenn ein Ehegatte sich nach dem Stichtag für die Berechnung des Endvermögens zu Lasten des ausgleichspflichtigen Ehegatten einen erheblichen Vermögensvorteil verschafft hat, beispielsweise dadurch, dass er die mit einem wesentlich höheren Wert jeweils zur Hälfte im Endvermögen berücksichtigte Immobilie in der Teilungsversteigerung weit unter Wert zu Alleineigentum erwirbt.[192]

Vermögenszuwachs, der ohne Ehebezug erst nach mehrjähriger Trennung erzielt wurde, ist dem Zugewinnausgleich ohne Anwendbarkeit von § 1381 BGB zu unterwerfen, zumal die Trennung die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Güterstandes nach §§ 1385, 1386 BGB eröffnet.[193]

[189] BGH FamRZ 1966, 560; BGH FamRZ 1992, 787; BGH FamRZ 2002, 606.
[190] Vgl. hierzu die Darstellung des Meinungsstands und Kritik bei Schwab/Ernst, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn 244 ff.
[193] BGH FamRZ 2013, 1954 (Seegrundstück); BGH FamRZ 2014, 24 (Lottogewinn).

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