Rz. 359
Hinsichtlich des Unterhaltsschuldners ist zunächst zu prüfen, ob zur Bedarfsbestimmung ein früher erzieltes Einkommen angeknüpft werden kann, ohne dass es eines Rückgriffs auf ein fiktiv zurechenbares Einkommen bedarf. Ist dies nicht möglich, entscheiden hinsichtlich des Bedarfs ausschließlich die ehelichen Lebensverhältnisse, die auch durch die Erwerbspflicht des Unterhaltspflichtigen während der Ehezeit bestimmt werden.
Fiktive Einkünfte dürfen zur Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen berücksichtigt werden, soweit der Unterhaltspflichtige schon während der Ehezeit erwerbspflichtig und erwerbsfähig war. Soweit der Unterhaltspflichtige sein Einkommen schon seinerzeit leichtfertig vermindert hatte, kann auch nach der Rechtsprechung des BGH an das früher fiktiv erzielbare Einkommen angeknüpft werden.[576]
Hinsichtlich des Unterhaltsgläubigers ist fiktives Einkommen wegen Verstoßes gegen eine Erwerbsobliegenheit als Surrogat der Familienarbeit anzusehen und gleichfalls prägend in die Bedarfsbemessung einzubeziehen.[577]
Gegenüber einem neuen Ehepartner darf sich der Unterhaltsgläubiger nicht auf eine mit diesem vereinbarte Rollenwahl berufen, nach der er nicht erwerbstätig ist. Die Erwerbsobliegenheit des neuen Ehegatten des Unterhaltsgläubigers beurteilt sich vielmehr danach, als wäre er vom pflichtigen Ehegatten geschieden.
Typische Fälle der Zurechnung fiktiver Einkünfte sind:
▪ | reale Beschäftigungschance bei ausreichenden und ernsthaften Bemühungen, |
▪ | leichtfertig verschuldete Einkommensminderung durch freiwilligen Arbeitsplatz- oder Berufswechsel,[578] |
▪ | leichtfertig verschuldeter Arbeitsplatzverlust, |
▪ | Einschränkung des Arbeitsumfangs ohne rechtfertigenden Grund.[579] |
Mietfreies Wohnen in der eigenen Wohnung wird als fiktives Einkommen des Gläubigers behandelt.[580] Das Gleiche gilt im Regelfall, wenn der Gläubiger mit einem anderen Partner eheähnlich zusammenlebt und ein gemeinsamer Haushalt mit dem Dritten geführt wird: Hier wird fiktives Einkommen unabhängig davon angerechnet, ob eine tatsächliche Erwerbstätigkeit zumutbar wäre.[581]
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