1. Allgemeines

 

Rz. 136

Auch im Erbscheinsverfahren spielt die Möglichkeit, eine Eilentscheidung herbeiführen zu müssen, eine nicht unerhebliche Rolle in der Rechtspraxis. Grund dafür ist, dass in bestimmten Fällen viel Zeit verstreicht, bis das Nachlassgericht bspw. einen unrichtigen Erbschein einzieht oder für kraftlos erklärt. Denn auch im Einziehungsverfahren hat das Nachlassgericht nach § 2361 S. 1 BGB die Pflicht, die Sach- und Rechtslage umfangreich zu ermitteln, gleich wie bei der Erteilung eines Erbscheins i.S.v. § 26 FamFG.[143] Daneben ist allein durch die Frist von einem Monat, die in § 353 Abs. 1 S. 3 FamFG genannt ist, ein langer Zeitraum gegeben, der dem Erbscheinserben erheblich Zeit lässt, den Nachlass zum Nachteil des tatsächlichen Erben verschwinden zu lassen. Zu beachten ist dabei aber, dass eine einstweilige Einziehung eines Erbscheins nicht angeordnet werden kann.[144]

[143] Soergel/Jaspert, § 2361 Rn 18.
[144] OLG Köln OLGZ 1990, 303.

2. Einstweilige Anordnung der Rückgabe des Erbscheins zu den Akten

 

Rz. 137

Nach § 49 FamFG kann das Beschwerdegericht durch eine einstweilige Anordnung die Rückgabe des Erbscheins zu den Akten des Nachlassgerichts anordnen. Diese Anordnung hat aber nicht dieselbe Wirkung wie der Einziehungsbeschluss nach § 2361 S. 1 BGB.[145] Denn durch die einstweilige Anordnung der Rückgabe wird der öffentliche Glaube, mit dem der Erbschein nach § 2366 BGB ausgestattet ist, nicht beseitigt.[146] Erst mit der tatsächlichen Einziehung entfällt der öffentliche Glaube des Erbscheins.

 

Rz. 138

Muster 15.21: Antrag auf Rückgabe des Erbscheins zu den Akten des Nachlassgerichts und Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

Muster 15.21: Antrag auf Rückgabe des Erbscheins zu den Akten des Nachlassgerichts und Erlass einer einstweiligen Anordnung

Wir beantragen namens unserer Mandantin Frau _________________________, dass der nach dem Todes der am _________________________ in _________________________ verstorbenen Frau _________________________, letzter gewöhnlicher Aufenthalt in _________________________, an deren Sohn _________________________, wohnhaft in _________________________, erteilte Erbschein, Aktenzeichen _________________________, zu den Akten des Nachlassgerichts _________________________ zurückgegeben wird.

Begründung:

Der erteilte Erbschein ist unrichtig. Wie jetzt erst bekannt wurde, hatte die Erblasserin kurz vor ihrem Tode noch ein weiteres handschriftliches Testament verfasst, das sich in ihren persönlichen Sachen befand und erst jetzt aufgefunden wurde.

Beweis: Beglaubigte Abschrift des Eröffnungsprotokolls

Durch dieses Testament, das nach dem Testament erfolgt ist, auf dessen Grundlage der Sohn _________________________ den Erbschein als Alleinerbe erlangt hat, ist dieser Erbschein unrichtig geworden, da das Testament mit dem jüngeren Datum den Sohn lediglich als Miterben zu ½ neben seiner Schwester, unserer Mandantin, ausweist.

Da der Sohn bereits begonnen hat, über einzelne Nachlassgegenstände zu verfügen, ist eine kurzfristige Entscheidung geboten. Es ist deshalb eine einstweilige Anordnung auf Rückgabe des Erbscheins zu den Akten des Nachlassgerichts _________________________ geboten.

[145] Grüneberg/Weidlich, § 2361 Rn 11.
[146] MüKo-BGB/Grziwotz, § 2361 Rn 44.

3. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 2362 BGB, § 935 ZPO

 

Rz. 139

Der wirkliche Erbe kann nach § 2362 Abs. 1 BGB vom Besitzer des unrichtigen Erbscheins die Herausgabe an das Nachlassgericht verlangen. Deshalb hat er auch einen Anspruch darauf, dass eine einstweilige Verfügung den Anspruch auf Herausgabe des unrichtigen Erbscheins absichert.[147] Es gilt jedoch auch für dieses Verfahren, dass der öffentliche Glaube des Erbscheins erst beseitigt ist, wenn im Verfahren der Hauptsache der Erbschein nach § 2362 BGB an das Nachlassgericht herausgegeben wurde.[148]

[147] MüKo-BGB/Grziwotz, § 2361 Rn 39.
[148] Grüneberg/Weidlich, § 2362 Rn 1.

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