Rz. 104

Die MPU ist als "Idiotentest" verschrien. Ihre Durchführung und die abschließende Begutachtung sind legendenbehaftet. Die "Flucht" vor ihr ist einer der Hauptgründe für den "Führerscheintourismus". Obergutachtenstellen sind bundesweit erforderlich, weil dort strittige Fälle geklärt werden können; für die Stellen sind Qualitätsstandards festzulegen.[232] Die MPU ist ganz sicher auch reformbedürftig.[233] In den gesetzlich vorgesehenen Fällen führt aber kein Weg an ihr vorbei.[234] Eine Vorbereitung auf die MPU bringt dem Probanden Informiertheit und Sicherheit. Eine frühzeitige und umfassende Information der Betroffenen ist daher erforderlich.[235] Sie hilft, Ängste vor ihr und Belastungen abzubauen.[236]

 

Rz. 105

Ob zur Klärung von Eignungszweifeln bzw. Feststellung der Eignung bei Ersterteilung, möglichem Entzug der FE oder bei Neu-/Wiedererteilung der FE (vgl. §§ 11 Abs. 3, 13 S. 1 Nr. 214 Abs. 2, 14 Abs. 1 S. 3, 20 FeV), die anwaltliche Beratung sollte sich nicht lediglich auf das Rechtsbehelfsverfahren beschränken. Da auch der Misserfolg eines Rechtsbehelfs bei der anwaltlichen Beratung in Betracht gezogen werden muss, sollte bereits die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens zur Vorbereitung auf eine MPU genutzt werden.[237] Auch dies gehört zum Ausschöpfen des gesetzlich Möglichen und zur optimalen Betreuung durch den Anwalt. Im Übrigen kann ohne kompetente Hilfe eine notwendige nachhaltige Verhaltensänderung beim betroffenen Kraftfahrer nicht erreicht werden.[238]

 

Rz. 106

Dementsprechend hat der Arbeitskreis III des 44. VGT Goslar 2006 empfohlen, "zur Verbesserung der Rechtsposition von FE-Inhabern und -Bewerbern für eine umfassendere Information der Betroffenen zu sorgen. Justiz, Verwaltung, Rechtsanwälte und sonstige Organisationen sollen die Voraussetzungen für ein solches Informationssystem sicherstellen. Dies gilt insbesondere für die Wiedererlangung einer FE nach deren Entziehung. Zur Qualitätssicherung der Beratung im Vorfeld der Begutachtung sollten insbesondere die Rechtsanwälte und die Verkehrspsychologen intensiver zusammenarbeiten."

 

Rz. 107

Der Anwalt wird auch dafür sorgen, dass Beratung und Vorbereitung auch bei einem seriösen Anbieter erfolgt.[239]

 

Rz. 108

Wurde die Zeit des Rechtsbehelfsverfahrens so genutzt, so kann sich der Mandant im Falle eines im Ergebnis aus seiner Sicht erfolglosen Rechtsbehelfs dann – ohne weiteren Zeitverlust und vorbereitet – erfolgsversprechender einer MPU unterziehen. Eine frühzeitige Befassung des Betroffenen mit dem Kern des Begutachtungsgesprächs (Ursachenerkennung, Verhaltensänderung, Vermeidungsstrategie) ist zur Erhöhung der Chancen auf ein für den Betroffenen positives Ergebnis der Begutachtung sehr zielführend.[240]

 

Rz. 109

Gezielte Vorbereitung zeigt auch Wege auf, wie bereits während des Laufs der Sperrzeit sinnvolle und wichtige Schritte in Richtung eines für den Betroffenen positiven Gutachtens unternommen werden können. Auch die Möglichkeit, eine "privat" in Auftrag gegebene MPU im Erkenntnisverfahren einzubringen, um so von den oftmals "starr" gehandhabten Sperrfristen zur Wiedererteilung abweichen zu können, gehört hierher. Dies ist allerdings noch nicht völlig "ausgeleuchtet" und wird streitig diskutiert.[241]

 

Rz. 110

Gleiches gilt für die Neu-/Wiedererteilung der FE nach vorangegangen Verkehrsauffälligkeiten. Auch hier gilt es, bereits lange vor dem Antrag auf Neuerteilung der FE einen "Fahrplan zur (Wieder-)Erteilung der FE"[242] festzulegen, wozu auch eine MPU und deren Vorbereitung gehören.[243]

[232] 52. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2014, Ak V, Empfehlung 6.
[233] Geiger, SVR 2012, 447; vgl. auch 52. Deutscher Verkehrsgerichtstag Goslar 2014, Ak V: Fahreignung und MPU; Geiger/Albrecht/Fastenmeier/Hillmann/Hoffmann-Born, Eignungskriterien, Änderungsbedarf, Interdisziplinäre Zusammenarbeit. Vgl. auch Bundesanstalt für Straßenwesen, Projektgruppe "MPU-Reform", Schlussbericht, März 2015.
[234] 52. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2014 Ak V, Empfehlung 1.
[235] 52. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2014 Ak V, Empfehlung 2.
[236] Uhle, Der Anwalt als Berater, S. 145 ff, 151 ff.
[237] Hofstätter, 44. VGT Goslar 2006, S. 88, 94.
[238] Uhle, Drogen und Straßenverkehr, Information vor Begutachtung, Rn 321 ff, 327 ff.
[239] Zu den Kriterien: Uhle, Drogen und Straßenverkehr, Rn 334.
[240] Hofstätter, 44. VGT Goslar 2006, S. 88, 94; Einzelheiten bei Buschbell/Utzelmann/Quarch/Reisert/DeVol, § 8 Rn 29 ff., § 9 Rn 124 ff.
[241] Dazu auch Hillmann, Private MPU im strafrechtlichen Hauptverfahren, DAR 2012, 231; Hillmann, DAR 2013, 119.
[242] So der Titel des Beitrages von Dronkovic/Hanelt in der DAR 2011, 351 ff. und der Titel einer Fortbildungsreihe der Autorinnen bei der Dt. Anwaltakademie.
[243] Ausführlich: Dronkovic/Hanelt, DAR 2011, 351 ff.

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