Rz. 47

Vor dem Hintergrund der im Straßenverkehr auf dem Spiel stehenden Rechts- und Schutzgüter unterliegt die MPU als solche, aber auch die konkrete Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens einer MPU, grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.[124] Als Gefahrerforschungseingriff greift die MPU-Anordnung erheblich ins Persönlichkeitsrecht ein.[125] Bei ihrer Anordnung im Einzelfall ist deshalb der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das System der medizinisch-psychologischen Begutachtung der Kraftfahreignung ist ein wichtiges und bewährtes Instrument zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit und zur Erhaltung der Mobilität des Einzelnen.[126] Die Sinnhaftigkeit der MPU ändert aber nichts an berechtigter Kritik an ihrer Durchführung.[127] Im Übrigen ist die MPU als Sachverständigengutachten unverzichtbar, da weder die Behörden noch die Gerichte über eigenen Sachverstand verfügen, notwendige medizinisch-psychologische Erkenntnisse selbst zu gewinnen, geschweige denn, das Verhalten eines Menschen selbst einer diesbezüglichen Bewertung zu unterziehen.[128]

[124] BVerfG zfs 1984, 380 mit Anm. Greck; BVerwG zfs 1996, 77, 78; vgl. auch BVerfG zfs 1993, 285; 2002, 454, 460.
[125] BVerfG zfs 1993, 285; OVG Rheinland-Pfalz zfs 2012, 716, 718.
[126] 48. VGT Goslar 2010, AK VI, Empfehlung 1; Geiger, SVR 2012, 447.
[127] Kürti, SVR 2010, 327; Geiger, SVR 2010, 408; Geiger, 48. VGT Goslar 2010, S. 203, 211; Geiger, SVR 2012, 447; Hillmann, 48. VGT Goslar 2010, S. 215 ff. Zur Fahreignung und MPU hat der 52. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2014 in Goslar im Ak V in seiner Empfehlung beschlossen: "1. Die MPU ist ein bewährtes Instrument, das nachhaltig zur Verkehrssicherheit beiträgt. Die von der Projektgruppe "MPU-Reform" bereits erarbeiteten Maßnahmen – z.B. die Bereitstellung des Infoportals auf der Homepage der BASt und die Informationsblätter – werden begrüßt. 2. Eine frühzeitige und umfassende Information der Betroffenen ist erforderlich. Über Voraussetzungen, Abläufe und Rechtsfolgen der MPU haben bereits die Ermittlungsbehörden frühestmöglich zu informieren. 3. Die Qualifikation von Personen, die zur Vorbereitung auf die MPU tätig sind, bedarf einer gesetzlichen Regelung. So wird es den Betroffenen erleichtert, seriöse Anbieter zu finden. 4. Tonaufzeichnungen der ärztlichen und psychologischen Untersuchungsgespräche können die Transparenz der Fahreignungsbegutachtung erhöhen. Ob sie gesetzlich vorgeschrieben werden sollen, hängt von der Klärung wissenschaftlicher und rechtlicher Fragen ab. Damit soll die Projektgruppe "MPU-Reform" befasst werden. 5. Zur Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis ist ein bundesweit geltender Fragenkatalog für die wesentlichen Untersuchungsanlässe zu erarbeiten. 6. Obergutachtenstellen sind bundesweit erforderlich, weil dort strittige Fälle geklärt werden können. Für die Stellen sind Qualitätsstandards festzulegen. 7. Die fachlichen Standards der MPU sind auf den Bereich der ärztlichen und fachärztlichen Begutachtungen zu übertragen. Zu fordern sind eine vertiefte verkehrsmedizinische Aus- und Fortbildung und die Sicherung der Gutachtenqualität. Die Fragestellungen und Ergebnisse sind statistisch zu erfassen. 8. Bereits die Anordnung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, ist einer unmittelbaren verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. 9. Qualität hat ihren Preis. Die Durchführung einer MPU muss angemessen vergütet werden. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind zu überprüfen."
[128] VG Neustadt a.d.W. zfs 2003, 479; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27.6.1997 – 7 A 10529/97, in ESOVG-RP.

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