Rz. 54

Wegen Krankheiten kann zunächst nach § 11 Abs. 2 FeV ein ärztliches Gutachten angeordnet werden.[146] Ein medizinisch-psychologisches Gutachten kann gefordert werden, wenn dies nach Würdigung eines bereits eingeholten ärztlichen Gutachtens zusätzlich erforderlich ist. Eine ärztliche Begutachtung muss aber mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in jedem Fall vorher stattfinden, da diese den geringeren Eingriff darstellt.[147]

Zu berücksichtigen sind hierbei die Kriterien

der Anlage 4 FeV; Aufzählung nicht abschließend,[148]
der Anlage 5 FeV,
der Anlage 6 FeV (Sehvermögen)[149]
der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung.[150]
 

Rz. 55

Für eine Begutachtungsanordnung nach § 11 Abs. 2 FeV aufgrund Erkrankung bzw. körperlicher Mängel ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen bestehen. Die tatsächlichen Feststellungen müssen den Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. "Bedenken" in diesem Sinne verlangen tatsächliche Hinweise auf Umstände, die für die Verkehrssicherheit in so hohem Maße bedeutsam sind, dass die bisher für die Eignungsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen fachlich überprüft werden müssen.[151] Andererseits reicht ein bloß entfernter Verdacht eines körperlichen oder geistigen Mangels z.B. aufgrund des Alters des Betroffenen für die Tatbestandsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 FeV auch hier nicht aus.[152] So berechtigt allein das Tragen eines Hörgerätes durch einen FE-Inhaber die Fahrerlaubnisbehörde nicht zur Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens.[153]

[146] Vgl. dazu z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.7.2015 – 1 S 13.15, zfs 2015, 597, 598.
[147] NK-GVR/Koehl, § 11 Rn 86 m.w.N. Zu den körperlichen Mängeln und Krankheiten s.a. NK-GVR/Koehl, § 11 Rn 8 ff.
[148] Vgl. dazu: Dauer, Krankheitsbedingte Mängel der Fahreignung aus verwaltungsrechtlicher Sicht, DAR 2012, 181; siehe auch BayVGH Beschl. v. 9.7.2012 – 11 ZB 12.1052, SVR 2013, 37 zur Fahrungeeignetheit wegen Parkinson‘scher Krankheit; siehe auch den Praxishinweis dazu von Koehl, SVR 2013, 40.
[149] Dazu: BayVGH, Urt. v. 14.1.2015 – 11 BV 14.1345, zfs 2015, 295.
[150] Stand: 1.5.2014, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft M 115; Download unter: BASt, Publikationen zum Download, "Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung"; vgl. VkBl. 2014, 110.
[151] NdsOVG, Beschl. v. 11.4.2005 – 12 ME 540/04, zfs 2005, S. 575; VGH BW, Urt. v. 28.10.2004 – 10 S 475/04, zfs 2005, 316 = VRS 108, S. 127 ff.
[152] Also auch hier keine Anordnung einer Untersuchungsmaßnahme "ins Blaue hinein", vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.2001 – 3 C 13/01, zfs 2002, 47= NJW 2002, 78 f. und juris.
[153] VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschl. v. 28.1.2016 – 3 L 4/16.NW, zfs 2016, 239.

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