aa) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 153

Eine "vorgelagerte Herausgabepflicht" statuiert § 2116 BGB. Auf ein entsprechendes Verlangen des Nacherben müssen Wertpapiere vom Vorerben gesperrt hinterlegt werden, so dass eine Herausgabe nur mit Zustimmung des Nacherben erfolgen kann.

Der Anspruch kennt keine besonderen materiellen Voraussetzungen, insbesondere ist eine Gefährdung der Rechte des Nacherben nicht erforderlich.[191]

Zur Auskunftspflicht des Vorerben über die Anlage von Geld siehe Rdn 123 ff.

 

Rz. 154

Folgende Wertpapiere sind zu hinterlegen:[192]

Inhaberpapiere, insbesondere Schuldverschreibungen auf den Inhaber (§§ 793 ff. BGB), einschließlich der Erneuerungsscheine (§ 805 BGB), Inhabergrundschuldbriefe (§ 1195 BGB), Inhaberrentenschuldbriefe (§ 1199 BGB) und Inhaberaktien (§§ 10, 278 Abs. 3 AktG).

Nicht zu hinterlegen sind nach § 2116 Abs. 1 S. 2 BGB Inhaberpapiere, die verbrauchbare Sachen i.S.d. § 92 BGB darstellen, insbesondere Banknoten (hier ist aber § 2119 BGB zu beachten; vgl. Rdn 168 ff.); ferner Legitimationspapiere (§ 808 BGB), wie z.B. Sparbücher und Pfandscheine.

Orderpapiere mit Blankoindossament, also Wechsel, Schecks und kaufmännische Orderpapiere (§ 363 HGB) sowie Namensaktien (§ 68 AktG).

Nicht zu hinterlegen sind Papiere, die verbrauchbare Sachen i.S.d. § 92 BGB darstellen: Zu denken ist hier in erster Linie an zum Betriebsvermögen gehörende Wechsel und Schecks.

[191] MüKo/Lieder, § 2116 Rn 1.
[192] Vgl. MüKo/Lieder, § 2116 Rn 5 f.

bb) Rechtsfolgen

 

Rz. 155

Bis zur Hinterlegung ist der Vorerbe in seiner Verfügungsbefugnis über die Papiere frei (§ 2112 BGB). Auch ein Hinterlegungsverlangen des Nacherben führt noch nicht zu einer Verfügungsbeschränkung. Es gelten insoweit jedoch die allgemeinen Beschränkungen, insbesondere das Verbot der unentgeltlichen Verfügung nach § 2113 Abs. 2 BGB.

Eine nach der Hinterlegung vorgenommene Verfügung des Vorerben ist ohne die Zustimmung des Nacherben unwirksam, denn die Beschränkung des § 2116 Abs. 2 BGB ist dinglicher Natur.[193] Soweit eine Verfügung über die Papiere für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist, kann der Vorerbe von dem Nacherben unter den Voraussetzungen des § 2120 BGB (vgl. Rdn 56 ff.) die Zustimmung zur Herausgabe der Papiere verlangen.[194]

[193] MüKo/Lieder, § 2116 Rn 3.
[194] NK-BGB/Gierl, § 2116 Rn 6.

cc) Verfahren

 

Rz. 156

Das Hinterlegungsverfahren wird durch Landesrecht geregelt. Auf der Basis eines Musterentwurfs haben die Länder eigene Hinterlegungsgesetze erlassen. Hinterlegungsstellen sind die Amtsgerichte,[195] teilweise wurden Konzentrationsregelungen geschaffen.[196]

Für die Hinterlegung von Wertpapieren sind eigenständige Regelungen geschaffen worden. Danach können Wertpapiere einem geeigneten Kreditinstitut zur Verwaltung und Verwahrung übergeben werden.[197] Die Hinterlegung bei einer Bank (Depotvertrag mit Sperrungsabrede) nach Maßgabe des § 2116 Abs. 1 S. 1 BGB ist weiterhin der Hinterlegung beim Amtsgericht vorzuziehen, da in diesem Fall das relativ schwerfällige formelle Hinterlegungsrecht nicht gilt.[198]

 

Rz. 157

Der Vorerbe kann nach § 2117 S. 1 BGB die Hinterlegung von Inhaberpapieren abwenden, indem er sie gem. § 806 BGB in Namenspapiere umschreiben lässt und zugleich bestimmt, dass er nur noch mit der Zustimmung des Nacherben über sie verfügen kann. Mit dem gleichen Sperrvermerk kann er vom Bund oder den Ländern ausgestellte Papiere nach § 2117 S. 2 BGB in Schuldbuchforderungen umwandeln lassen. § 2117 S. 2 BGB gilt für Inhaberpapiere kommunaler Gebietskörperschaften entsprechend.[199] Die Umschreibung bzw. Umwandlung kann auch noch nach der Geltendmachung des Hinterlegungsverlangens erfolgen.[200]

 

Rz. 158

Das Hinterlegungsverlangen ist vor dem Prozessgericht durchzusetzen.[201]

[195] Vgl. § 1 Abs. 2 HintG BW; Art. 2 Abs. 2 BayHintG; § 1 Abs. 2 S. 1 BerlHintG; § 1 Abs. 2 BremHintG; § 1 Abs. 2 BbgHintG; § 1 Abs. 2 S. 1 HmbHintG; § 1 Abs. 2 HessHintG; § 1 Abs. 2 HintG M-V; § 3 Abs. 2 S. 1 NHintG; § 2 Abs. 1 HintG NRW; § 2 Abs. 1 LHintG RP; § 1 Abs. 2 HintG SL; § 1 Abs. 2 SächsHintG; § 1 Abs. 1 HintG LSA; § 1 Abs. 2 HintG SH; § 1 Abs. 2 ThürHintG.
[196] Z.B. § 3 Abs. 2 NHintG.
[197] Z.B. § 14 Abs. 1 HintG BW; Art. 17 Abs. 1 BayHintG.
[198] Staudinger/Avenarius, § 2116 Rn 6; Damrau/Tanck/Bothe, § 2116 Rn 5.
[199] Soergel/Wegmann, § 2117 Rn 3; MüKo/Lieder, § 2117 Rn 2; Staudinger/Avenarius, § 2117 Rn 4; Grüneberg/Weidlich, § 2117 Rn 1.
[200] MüKo/Lieder, § 2117 Rn 1.
[201] Soergel/Wegmann, § 2116 Rn 1; MüKo/Lieder, § 2116 Rn 1.

dd) Zwangsvollstreckung

 

Rz. 159

Die Vollstreckung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 883 ZPO.[202] Der Gerichtsvollzieher hat die Papiere wegzunehmen und an die Hinterlegungsstelle zu übergeben.

[202] NK-BGB/Gierl, § 2116 Rn 7; vgl. OLGR Celle 2002, 128.

ee) Checkliste: Klage auf Hinterlegung/Anlage

 

Rz. 160

Sachliche Zuständigkeit
Örtliche Zuständigkeit: §§ 12, 13 ZPO
Wer ist Kläger: Nacherbe
Wer ist Beklagter: Vorerbe(n)
Nur gegenüber dem nicht befreiten Vorerben

Zu hinterlegen sind: Inhaberaktien, Inhaberschuldverschreibungen, Inhabergrundschuldbriefe, Wechsel, Schecks, kaufmännische Orderpapier...

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