Rz. 4

Das BGB kennt zwei unterschiedliche Verzichtserklärungen, die gelegentlich unter dem Begriff des Erbverzichts zusammengefasst werden. Der reine Erbverzicht ist hierbei die erbrechtliche Erklärung, die in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen am weitesten reicht. Demgegenüber stellt sich der Pflichtteilsverzicht, also der Verzicht, der Auswirkungen nur auf das Pflichtteilsrecht hat, in den meisten Fällen als sinnvollere Alternative dar. Dennoch sind in der Praxis häufig – ältere – Unternehmensplanungen vorzufinden, in denen tatsächlich ein Erbverzicht vorgesehen und auch beurkundet ist. Meistens sind das die Fälle, in denen unternehmerseits der Güterstand der Gütertrennung vollzogen wurde. Möglicherweise entspricht diese auf allen Ebenen als Radikallösung anzusehende Systematik am ehesten der Mentalität eines Unternehmers, der sich gegen alle "bösen" Einflüsse abschirmen möchte und so seinen Ehegatten, aber auch seine Kinder in jedem Fall fernzuhalten versucht, es sei denn, er selbst bringt diese Personen in eine Nachfolge. Hier wird allerdings im wahrsten Sinne des Wortes das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

 

Rz. 5

So gibt es nur sehr wenige Ausnahmefälle, in denen ein reiner Erbverzicht ratsam wäre. Dennoch soll er im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

Gemäß § 2346 Abs. 1 BGB können die gesetzlichen Erben durch den Erbverzichtsvertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten.

Der Vertrag gliedert sich in ein Verfügungs- und ein Verpflichtungsgeschäft auf. Das Verfügungsgeschäft ist das Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall abstrakter Art, weswegen es der Überprüfung auf Willensmängel, (teilweise) Unwirksamkeit, Auslegung und Anfechtung zugänglich ist.[1]

Es gelten hier die allgemeinen Regelungen des BGB zur Beurteilung von Willensmängeln (§§ 116 ff. BGB), teilweiser Unwirksamkeit (§ 139 BGB), Auslegung (§§ 133, 157, 242 BGB) und Anfechtung (§§ 119 ff. BGB) und nicht etwa die erbrechtlichen Spezialvorschriften (§§ 2085, 2084, 2281, 2078 BGB), da es sich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt.[2] Das hat zur Konsequenz, dass etwa ein Motivirrtum anders als im Falle der Anwendung von § 2078 Abs. 2 BGB unbeachtlich ist.[3]

Neben dem erbrechtlich abstrakten Verfügungsgeschäft wird ein schuldrechtliches Kausalgeschäft geschlossen. In aller Regel steht hinter dem Verfügungsgeschäft ein schuldrechtlicher Abfindungsvertrag. In den Fällen ohne Vereinbarung einer Abfindung wird man von einem stillschweigend abgeschlossenen Kausalgeschäft ausgehen können.[4] Auch der BGH folgt der inzwischen herrschenden Auffassung, die von der Möglichkeit eines solchen Grundgeschäftes ausgeht.[5] Dagegen wurde früher vertreten, der Erbverzicht trage die Rechtfertigung in sich selbst, es handele sich hierbei um ein Rechtsgeschäft ohne causa.[6]

[1] Nieder/Kössinger, § 19 Rn 1a.
[2] Herrschende Meinung, vgl. etwa Kanzleiter, DNotZ 2009, 86.
[3] Palandt/Weidlich, § 2346 Rn 5.
[4] Staudinger/Schotten, § 2346 Rn 115 ff.
[5] BGHZ ZEV 1997, 69, Soergel/Damrau, § 2346 Rn 3, BayOLGZ 81, 30.
[6] Strohal, Erbrecht B. I, S. 528 Fn 6; Schotten, DNotZ 1998, 163.

1. Beispiele für Kausalgeschäfte

a) Unentgeltlicher Verzicht

 

Rz. 6

Der Erbverzicht kann unentgeltlich, aber auch entgeltlich sein. Wird er unentgeltlich erklärt, verzichtet ein in Betracht kommender gesetzlicher Erbe auf sein künftiges Erbrecht, ohne hierfür eine Abfindung zu erhalten. Das kommt relativ häufig vor. Der Grund für die Abgabe derartiger Verzichtserklärungen kann unterschiedlicher Natur sein. Insbesondere in der Form des Pflichtteilsverzichts wird häufig auf die Testierfreiheit der Eltern Rücksicht genommen und – ohne Gegenleistung – auf das Pflichtteilsrecht nach dem Erstversterbenden der Eltern – in den meisten Fällen nicht auch auf das gesetzliche Erbrecht – verzichtet. Damit wird den Eltern ermöglicht, eine wechselseitige Erbeinsetzung vorzunehmen, ohne den Längerlebenden mit an dieser Stelle als störend und unpassend empfundenen Pflichtteilsansprüchen der Abkömmlinge zu konfrontieren. Im Rahmen der Unternehmensnachfolge dürfte ein solcher unentgeltlicher Verzicht allerdings nicht die Regel sein, denn wenn zugunsten eines Geschwisters ein Erbverzicht erklärt wird, weil diesem das Unternehmen zukommen soll, wird man wohl eher über entsprechende Kompensationsleistungen nachzudenken haben.

 

Rz. 7

Da mit einem derartigen unentgeltlichen Verzicht jedoch keine Gegenleistung verbunden ist, stellt sich die Frage, ob darin bereits eine Schenkung des Verzichtenden zu sehen ist. Nach allgemeiner Auffassung ist das nicht der Fall. Der unentgeltliche Erbverzicht wird vielmehr als ein Rechtsgeschäft sui generis angesehen, das jedenfalls nicht als Schenkung des Verzichtenden an den Erblasser oder an den durch den Verzicht Begünstigten einzustufen ist.[7]

Allein durch den erklärten Verzicht tritt keinerlei Bereicherung des Erblassers ein, wie es nach Schenkungsrecht (§ 516 Abs. 1 BGB) zu verlangen wäre. Auch wird das Vermögen des Verzichtenden nicht gemindert. Überdies wird aus einem Verweis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge