Rz. 6

Bei der Angemessenheitsbestimmung wird gemeinhin davon ausgegangen, dass es darum geht, einen Betrag zu finden, der sowohl die Interessen des Testamentsvollstreckers an einer auskömmlichen Vergütung als auch die Interessen der Zahlungspflichtigen, also regelmäßig der Erben, in praktische Konkordanz bringt.[11] Die Rechtsprechung greift hierbei auf eine Formel zurück, die der Bundesgerichtshof vor über 60 Jahren entwickelt hat. Danach ist für die Vergütung des Testamentsvollstreckers "der ihm im Rahmen der Verfügung von Todes wegen nach dem Gesetz obliegende Pflichtenkreis, der Umfang der ihn treffenden Verantwortung und die von ihm geleistete Arbeit, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung oder der Verwaltung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen und auch die Bewährung einer sich im Erfolg auswirkenden Geschicklichkeit zu berücksichtigen sind", einzubeziehen.[12] Damit erfolgt die Angemessenheitsbestimmung funktionell bezogen auf die vom Testamentsvollstrecker durchzuführenden Arbeiten.[13] Es fragt sich allerdings, ob das bloße Abstellen auf den konkreten Pflichtenkreis des Testamentsvollstreckers und die von ihm geleistete Arbeit angesichts der rasanten Entwicklung, den die Testamentsvollstreckung in den letzten Jahren in Richtung eines eigenständigen Geschäftsfeldes gemacht hat, nicht zu einem Überdenken dieser Grundsätze zwingen.

 

Rz. 7

Aus der Sicht der Testamentsvollstrecker ist festzustellen, dass sich mit einem gewissen Schwerpunkt in den letzten Jahren die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen deutlich geändert haben. Die bisherige Rechtsprechung datiert häufig noch aus Zeiten, als die Testamentsvollstreckung entweder als reiner Freundschaftsdienst angesehen oder ausschließlich durch Rechtsanwälte und Notare berufsmäßig ausgeübt wurde. Dem familiär orientierten Testamentsvollstrecker wurde eine eher niedrigere Vergütung zugemutet,[14] das Bild der geschäftsmäßigen Testamentsvollstrecker war weitgehend einheitlich von einer vergleichbaren juristischen Grundausbildung geprägt.

 

Rz. 8

Mit der Zulassung der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung durch Nichtjuristen, zunächst durch die Entscheidung des BGH vom 11.11.2004[15] und anschließend durch das Rechtsdienstleistungsgesetz zum 1.7.2008 (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 RDG), hat sich für weite Berufskreise ein Geschäftsfeld aufgetan, das bei den bisherigen Diskussionen um die angemessene Testamentsvollstreckervergütung noch keine Berücksichtigung hat finden können. Hier zeigt sich heute eine erhebliche Bandbreite von Dienstleistern. Sie reicht von den Anbietern geschäftsmäßiger Testamentsvollstreckungen, die völlig ohne eine Ausbildung[16] und die Unterhaltung eines Büros agieren, bis hin zu hochprofessionellen Testamentsvollstreckern mit nachgewiesener Ausbildung, steter Fortbildungsverpflichtung und Vorhalt einer Vermögenschadenhaftpflichtversicherung.[17] Es liegt auf der Hand, dass die Anwendung eines einheitlichen Vergütungssatzes für geschäftsmäßige Testamentsvollstrecker ohne Berücksichtigung ihrer in der heutigen Rechtswirklichkeit sehr unterschiedlichen Qualifikationen nicht mehr dem Angemessenheitskriterium des § 2221 BGB entsprechen kann. Schon um die "Stimmigkeit des Preis-Leistungsverhältnisses"[18] zu erhalten, aber auch um nicht willkürlich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln, kann ein Testamentsvollstrecker, der keinerlei Sonderqualifikation aufweist, keine letztendlich auch dem Schutz des Nachlasses dienende Vermögenschadenhaftpflichtversicherung unterhält, sich nicht fortbildet und keinen standesrechtlichen Restriktionen wie beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare unterliegt, nicht in dem selben Umfang vergütet werden, wie die Angehörigen der Berufsgruppen, die diesen Restriktionen unterliegen oder sich ihnen freiwillig unterwerfen. Bei der Neufassung des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern vom 21.4.2005 wurden diese Gedanken umgesetzt. Nach § 4 VBVG erhalten Betreuer, die über besondere Kenntnisse verfügen, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, eine höhere Vergütung. Es ist daher nach differenzierteren Kriterien zu suchen, damit auch der Qualifikation des jeweils beteiligten Testamentsvollstreckers angemessen Rechnung getragen werden kann.

 

Rz. 9

Aus der Sicht des Erben als des regelmäßig Zahlungspflichtigen haben sich ebenfalls wesentliche Änderungen ergeben. Durch die Neufassung des § 2306 BGB seit dem 1.1.2010 ist es ihnen nunmehr sehr viel einfacher möglich, sich einer als missliebig empfundenen Testamentsvollstreckung zu entledigen. Art. 14 GG garantiert einem bestimmten Personenkreis eine Mindestbeteiligung am Nachlass in Form des Pflichtteilsanspruchs, aber eben auch nicht mehr. Der pflichtteilsberechtigte Erbe hat die Wahlfreiheit, sich mit der unbeschränkten Mindestbeteiligung abzufinden, oder aber eben den Willen des Erblassers zu respektieren und die Testamentsvollstreckung hinzunehmen. Im Vergleich zur früheren Rechtslage is...

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