I. Testamentsvollstrecker als Treuhänder

 

Rz. 1

Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ermöglicht dem Erblasser eine weitreichende Einflussnahme über den Tod hinaus. Aufgrund immer umfangreicherer Nachlässe und komplexerer Familienstrukturen gewinnt sie immer mehr an Bedeutung. Der Testamentsvollstrecker ist nicht gesetzlicher Vertreter der Erben, weil er "für den Nachlass" handelt, aber auch nicht gesetzlicher Vertreter des Nachlasses, weil dieser kein Rechtssubjekt ist. Er ist vielmehr "Treuhänder und Inhaber eines privaten Amtes",[1] das ihm der Erblasser verliehen hat.

[1] BGH, Urt. v. 5.10.2000 – III ZR 240/99, BGHZ 25, 275, 279; Damrau/Tanck/Bonefeld, § 2197 Rn 1.

II. Erblasser als Treuhandbegründer

 

Rz. 2

Die Treugeberposition ist mehrfach gespalten, zunächst qualitativ in die Rollen des Treuhandbegründers und des Treuhandbegünstigten.[2] Begründer des Treuhandverhältnisses ist der Erblasser,[3] an dessen Anordnungen und Interessen sich der Testamentsvollstrecker bei der Ausübung seines Amtes zu orientieren hat. Er ist mit einem die Erben verdrängenden Verwaltungsrecht eigener Art ausgestattet; dieses Recht erlangt er mit Annahme seines Vollstreckeramtes[4] und verliert es ohne Weiteres mit Beendigung seines Amtes.

 

Rz. 3

Auf Antrag jedes einzelnen Miterben[5] kann jedoch eine konkrete Verwaltungsanordnung des Erblassers außer Kraft gesetzt werden, wenn ihre Befolgung den Nachlass erheblich gefährden würde, § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB.[6] Nach gängiger Auffassung kann eine Verwaltungsanordnung überdies auch dann außer Kraft gesetzt werden, wenn sie einen oder mehrere Miterben wirtschaftlich gefährdet. Wollte der Erblasser durch die Verwaltungsanordnung die wirtschaftliche Grundlage des Erben sicherstellen, so kann sie außer Kraft gesetzt werden, wenn durch ihre Befolgung die wirtschaftliche Lage des Erben und damit die Zweckbestimmung des Nachlasses erheblich gefährdet werden würde. Zum Schutz des Erben ist das Nachlassgericht nicht dazu befugt, Anordnungen im Nachhinein, also nach erfolgter Abweichung seitens des Testamentsvollstreckers, außer Kraft zu setzen, weil der Testamentsvollstrecker ansonsten allzu leicht vollendete Tatsachen schaffen könnte.[7] In dringenden Fällen ist vielmehr eine einstweilige Anordnung im Außerkraftsetzungsverfahren vor dem Nachlassgericht zu beantragen.

[2] Eingehend dazu Löhnig, § 14 II 2.
[3] Damrau/Tanck/Bonefeld, § 2197 Rn 44.
[4] Damrau/Tanck/Bonefeld, § 2197 Rn 14.
[5] Vgl. Soergel/Damrau, § 2216 Rn 15.
[6] Damrau/Tanck/Bonefeld, § 2216 Rn 19.
[7] Staudinger/Reimann, § 2216 Rn 40; a.A. Palandt/Weidlich, § 2216 Rn 5; Soergel/Damrau, § 2216 Rn 13.

III. Miterben als Treuhandbegünstigte

 

Rz. 4

Treuhandbegünstigte sind die mit der Testamentsvollstreckung belasteten Miterben, denen der Nachlass vom Erblasser zugewendet wurde; die Treugeberposition ist also gleichsam auch quantitativ gespalten.[8] Sie sind zwar Rechtsträger des Nachlasses und sollen die Vorteile aus der Testamentsvollstreckung genießen, haben jedoch keine Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses, §§ 2205, 2212 BGB. Testamentsvollstreckung ist somit also ein Verwaltungsrecht an fremdem Vermögen. Der Testamentsvollstrecker hat gegenüber den mit der Testamentsvollstreckung belasteten Miterben eine sehr starke Position, weil er keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt:[9] Das Nachlassgericht ist nur zur Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Vollstreckern berufen, § 2224 BGB. Auch das Familien- oder Betreuungsgericht kontrolliert den Testamentsvollstrecker, der den Nachlass für einen minderjährigen Erben verwaltet, nicht, denn der Vollstrecker handelt aus eigenem Recht und bedarf deshalb nicht der gängigen familiengerichtlichen oder vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen.

[8] Eingehend dazu Löhnig, § 12.
[9] Damrau/Tanck/Bonefeld, § 2197 Rn 2.

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