Rz. 255

Bei Unterhaltsvereinbarungen[415] geschieht die Anpassung an veränderte Umstände allein nach den Regeln des materiellen Rechts (Störung der Geschäftsgrundlage, §§ 239 Abs. 2 FamFG, 313 BGB).[416] Insoweit kommt es vorrangig darauf an, ob der von den Beteiligten bei der Einigung zugrunde gelegte Wille eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs umfasst hat und der Vergleich eine dahingehende bindende Regelung enthält.

[415] Zur Anwaltshaftung bei Vergleichen siehe Offermann-Burkart, FPR 2012, 550; zur Notarhaftung für fehlerhafte Eheverträge Mayer, FPR 2012, 563; Möller, FK 2012, 137, 138; zur Richterhaftung bei Vergleich Zimmermann, FPR 2012, 556.
[416] BGH FamRB 2012, 101; FamRZ 2010, 1238 und FamRZ 2010, 192.

aa) Vereinbarter Ausschluss der Abänderbarkeit

 

Rz. 256

Bei Vergleichen und ehevertraglichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt stellt sich aber zuerst immer die Frage, ob – und ggf. in welchem Umfang – bereits eine Abänderung vertraglich ausgeschlossen ist.[417] (dazu siehe § 22 Rdn 272)

 

Rz. 257

 

Praxistipp:

Es ist rechtlich möglich, die jegliche Änderung der Unterhaltsfestsetzung vertraglich auszuschließen.[418]
Ist eine Regelung zur Frage der Begrenzung weder ausdrücklich geregelt noch als konkludent vereinbart feststellbar, ist im Zweifel davon auszugehen, dass noch keine abschließende Regelung über eine spätere Begrenzung getroffen werden sollte.[419]

bb) Vorbehalt einer Befristung bei Unterhaltsvereinbarungen

 

Rz. 258

Eine Abänderung zur nachträglichen Befristung ist möglich, wenn sich die Beteiligten dies in der abzuändernden Vereinbarung vorbehalten haben.

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 40, 41[420]

Zitat

aa) Die Abänderung eines Prozessvergleichs richtet sich allein nach materiell-rechtlichen Kriterien. Dabei ist – vorrangig gegenüber einer Störung der Geschäftsgrundlage – durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine insoweit bindende Regelung getroffen haben.

Für die Abänderung eines Prozessvergleichs über nachehelichen Unterhalt wegen Unterhaltsbefristung kommt es vorrangig darauf an, inwiefern der Vergleich im Hinblick auf die spätere Befristung eine bindende Regelung enthält. Mangels einer entgegenstehenden ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Regelung ist jedenfalls bei der erstmaligen Festsetzung des nachehelichen Unterhalts im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien die spätere Befristung des Unterhalts offenhalten wollen. Eine Abänderung des Vergleichs ist insoweit auch ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und ohne Bindung an den Vergleich möglich. Dass der Unterhaltspflichtige einen früher erhobenen Einwand, der Unterhalt sei zeitlich zu begrenzen, schließlich fallen lässt, besagt noch nichts über eine spätere Befristung des Unterhalts. Auch ein Nachgeben des Unterhaltspflichtigen, nachdem er zuvor die Befristung geltend gemacht hatte, geht demnach nicht weiter, als dass die Prüfung der Befristung auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden sollte (vgl. BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn 22 m.w.N.).

cc.) Grundsätze der Abänderungen von außergerichtlichen Titeln

 

Rz. 259

Nach § 313 Abs. 1 BGB kann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 242 BGB).

Liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB vor, so führt dies unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere der Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Vereinbarung, zu einer entsprechenden Anpassung des Vertrags an die veränderten Vertragsgrundlagen. Diese besteht in einer unter Wahrung der unveränderten Grundlagen des Vergleichs gebotenen Neubeurteilung des Unterhaltsanspruchs.[421]

 

Rz. 260

Bei der Anpassung darf nicht nur darauf abgestellt werden, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten auch der anderen Partei zugemutet werden können, siehe § 22 Rdn 309.[422] Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Unterhaltsvereinbarung vielfach in eine Gesamtregelung der Ehegatten eingebunden ist und nicht isoliert betrachtet werden kann.[423]

 

Rz. 261

Der Geschäftswille der Parteien baute regelmäßig auf der gemeinsamen Erwartung vom Fortbestand der bestehenden Rechtslage auf.[424]

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