Rz. 475

Die wirksame Anfechtung führt zur Nichtigkeit des Lebensversicherungsvertrages von Anfang an (vgl. § 142 BGB); sie wirkt gegenüber jedermann. Die wechselseitig empfangenen Leistungen sind grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln entsprechend den Grundsätzen des Bereicherungsrechts zurückzugeben. Leistungen des Versicherers wegen zwischenzeitlich eingetretener Versicherungsfälle sind zurückzuerstatten. Hinsichtlich der Prämie besteht im Falle der Anfechtung entgegen der Rechtslage vor Inkrafttreten der VVG-Reform grundsätzlich kein Prämienanspruch des Versicherers.[798] Für den Sonderfall der Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung räumt § 39 Abs. 1 S. 2 VVG dem Versicherer ausnahmsweise einen Prämienanspruch für den Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung ein. Für die Lebensversicherung folgt aus § 169 Abs. 1 VVG für die dort genannten Fälle (Aufhebung des Versicherungsvertrags durch Kündigung des Versicherungsnehmers, Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers), dass der Versicherer den Rückkaufswert auszuzahlen hat. Hierbei ist darauf zu achten, wem der Rückkaufswert gebührt; neben dem Versicherungsnehmer kommen z.B. ein eventueller Abtretungsgläubiger oder ein unwiderruflich Bezugsberechtigter in Betracht.

 

Rz. 476

Für den Fall, dass der Versicherer die Leistungen nicht an den Versicherungsnehmer erbracht hat, sondern an einen Dritten (Abtretungsgläubiger, Pfandgläubiger, Bezugsberechtigten) richten sich die Ansprüche des Versicherers aus § 812 BGB ausschließlich gegen den Versicherungsnehmer.[799]

 

Rz. 477

Uneinigkeit hinsichtlich der Rechtsfolgen besteht für den Fall, dass die Anfechtung eine Erklärung des Versicherers betrifft, die nicht auf Abschluss einer Lebensversicherung, sondern auf eine Vertragsänderung zu einer bereits bestehenden Versicherung gerichtet war. Nach einer Auffassung soll der Versicherer den gesamten Vertrag anfechten können.[800] Nach zutreffender Auffassung kann hingegen nur die Änderung des Vertrages angefochten werden.[801] Erfolge die Vertragsänderung dergestalt, dass der alte Vertrag durch einen neuen ersetzt wird, entfällt mit der Anfechtung des neuen Vertrags auch die Aufhebungsabrede, so dass der bisherige Vertrag weiterbesteht.[802]

[798] Begr. d. Regierungsentwurfs z. § 39 VVG, BT-Drucks 16/3945, 72.
[799] BGH v. 2.11.1988 – IVb ZR 102/87, BGHZ 105, 365, 369 (zur Feuerversicherung).
[800] LG Hannover v. 18.10.1990 – 19 O 88/90, VersR 1991, 1281 (zur Krankenversicherung); Benkel/Hirschberg, ALB 1986 § 6 Rn 159 m.w.N.
[801] OLG Saarbrücken v. 16.5.2007 – 5 U 590/06–74, VersR 2007, 1681, 1682 = NJW-RR 2007, 1398, 1399 f.; Prölss/Martin/Armbrüster, § 22 VVG Rn 29.
[802] OLG Saarbrücken v. 16.5.2007 – 5 U 590/06–74, VersR 2007, 1681, 1682 = NJW-RR 2007, 1398, 1399 f.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge