Rz. 423

Die Rechte des Versicherers wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer sind gem. § 19 Abs. 5 S. 2 VVG ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand bzw. die Unrichtigkeit der Anzeige kannte. Erforderlich ist grundsätzlich positive Kenntnis des Versicherers von dem Umstand, der nicht oder nicht richtig angezeigt wurde.[671]

Positive Kenntnis ist gegeben, wenn entweder ein Organ bzw. Organmitglied oder die über den Vertragsschluss entscheidende Stelle über die Kenntnis verfügt.[672] Dabei müssen aktenmäßig in Datenbanken festgehaltene Informationen abgerufen werden, soweit zu einer solchen ­Abfrage Anlass besteht.[673] Fraglich ist, ob man in der Lebensversicherung eine routinemäßige Abfrage oder einen Anlass zum Abrufen hinsichtlich solcher Informationen annehmen muss, die in einer zentralen Datei erfasst sind, in der Anträge enthalten sind, die von den Versicherern abgelehnt oder mit Beitragszuschlägen versehen wurden.[674]

 

Rz. 424

Die Frage der Wissenszurechnung bei konzernverbundenen Unternehmen wird im VVG ausdrücklich offen gelassen und insoweit auf die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen.[675] Die Kenntnis eines konzernverbundenen Versicherers gelangt dem Lebensversicherer danach grundsätzlich nicht zur Kenntnis, und zwar selbst dann nicht, wenn der Antragsteller mit einer Einsichtnahme in die Unterlagen des anderen Versicherers einverstanden war.[676] Etwas anderes soll gelten, wenn der Versicherer Kenntnisse über eine Datenbank eines verbundenen Schwesterunternehmens erlangen kann und Veranlassung hatte, diese Daten abzurufen.[677] Ob eine Kenntniszurechnung zu Lasten des Lebensversicherers auch vorzunehmen ist, wenn der Versicherungsnehmer die anzeigepflichtigen Umstände mit einem für den Lebens- und Krankenversicherer gleichzeitig tätig werdenden Versicherungsvertreter erörtert hat, wird nicht einheitlich beurteilt.[678]

 

Rz. 425

Ist der Versicherungsvertreter selbst Versicherungsnehmer, so kommt es für die Kenntnis der unrichtigen Gesundheitsangaben nicht auf das Wissen des unmittelbaren Vorgesetzten des Versicherungsnehmers oder der Personalabteilung des Versicherers an, wenn diese mit der Bearbeitung des Antrags nicht befasst sind.[679]

[671] Langheid/Wandt, § 19 VVG Rn 167; Bruck/Möller/Rolfs, § 19 VVG Rn 117.
[672] Bruck/Möller/Rolfs, § 19 VVG Rn 118; vgl. auch OLG Köln v. 13.11.1996 – 5 U 6/96, VersR 1998, 351, 352 = r+s 1998, 96, 97 – zur Krankenversicherung.
[674] Vgl. hierzu Bruck/Möller/Rolfs, § 19 VVG Rn 119 ff.
[675] Begründung d. Regierungsentwurfs z. § 70 VVG, BT-Drucks 16/3945, 77.
[676] BGH. v. 18.12.1991 – IV ZR 299/90, NJW 1992, 828, 829 = VersR 1992, 217, 218; OLG München v. 30.9.2003 – 25 U 2913/03, VersR 2004, 181 f.
[678] Dafür: OLG Oldenburg v. 16.3.1994 – 2 U 203/93, VersR 1995, 157, 158 = r+s 1994, 445, 446; dagegen: OLG München v. 30.9.2003 – 25 U 2913/03, VersR 2004, 181.
[679] OLG Hamm v. 12.12.1990 – 20 U 193/90, r+s 1991, 322.

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