Rz. 27

Auch im Erbrecht kommen eine Vielzahl von Vorfragen in Betracht, die nach h.M. selbstständig anzuknüpfen sind:[42]

Verwandtschaft
Bestehen einer Ehe
maßgeblicher Güterstand
Frage der Ehelichkeit oder Nichtehelichkeit eines Kindes
Todesvermutung, Art. 9 EGBGB
Testierfähigkeit
Rechtsfähigkeit des/der Erben
Zugehörigkeit eines Gegenstandes zum Nachlass[43]
sachenrechtlicher Eigentumsübergang
Wirksamkeit der Adoption.
 

Rz. 28

Sehr umstritten ist die Frage, nach welchem Recht die Erbberechtigung des Adoptivkindes zu entscheiden ist. Das Kammergericht hat diesbezüglich das Erbstatut für maßgeblich erachtet;[44] hingegen stellt der BGH auf das Adoptionsstatut ab.[45]

 

Rz. 29

Unter einer Vorfrage versteht man nach der h.M. jede Frage nach dem Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder einer Rechtslage, die im Tatbestand einer in- bzw. ausländischen Kollisions- oder Sachnorm vorausgesetzt wird.[46] Teilweise wird dabei noch zwischen Vor- und Teilfragen differenziert, was aber wenig praktische Bedeutung hat.[47]

 

Beispiel (nach BGHZ 43, 213)

Der griechische Staatsangehörige Stavros hatte mit der griechischen Staatsangehörigen Nina die Ehe nach griechisch orthodoxen Ritus vor dem Popen in Köln geschlossen, eine standesamtliche Trauung fand nicht statt und wurde auch nicht nachgeholt. Der Mann stirbt ohne Hinterlassung von Nachkömmlingen an dem letzten gemeinsamen Wohnort in Griechenland. Wer wurde zu welcher Quote Erbe?

Art. 25 Abs. 1 EGBGB (a.F.) verwies in das griechische IPR, das die Verweisung auch annahm. Nach griechischem Erbrecht "erbt die Ehefrau allein". Es stellt sich hier die Vorfrage, ob eine wirksame Ehe vorliegt.

 

Rz. 30

Umstritten ist nun, ob Vorfragen selbstständig, d.h. nach den Kollisionsnormen der lex fori (= das Recht des mit der Sache befassten Gerichts) oder unselbstständig, d.h. nach dem IPR der Hauptfrage anzuknüpfen sind:

Die h.M.[48] bevorzugte vor dem Hintergrund einer "inneren Entscheidungsharmonie" grundsätzlich die selbstständige Anknüpfung. So ist nach Ansicht des BGH[49] die Vorfrage nach der Gültigkeit einer Ehe im deutschen internationalen Erbrecht grundsätzlich selbstständig anzuknüpfen. Der Scheidungsbeschluss eines deutschen Gerichts ist insoweit stets zu beachten.
Die Gegenansicht[50] verweist auf die internationale Entscheidungsharmonie und knüpft unselbstständig an. Bei staatsvertraglichen Kollisionsrecht konzediert auch die h.M.[51] die unselbstständige Anknüpfung.
 

Rz. 31

Im Beispielsfall führt die selbstständige Anknüpfung zur Nichtehe über Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB. Würde man unselbstständig anknüpfen, käme man zum griechischen Recht und damit zu einer wirksamen Ehe. Man spricht in einer solchen Situation von einer "hinkenden Ehe". Um diese missliche Lage zu lösen, nimmt eine vermittelnde Meinung eine Abwägung dahin gehend vor, dass geprüft wird, welches Interesse überwiegt.[52]

Übertragen auf unseren Beispielsfall hieße dies, dass sich die Vorfrage des Bestehens der Ehe nach griechischem Recht richtet, vor allem weil die Ehegatten zuletzt in Griechenland lebten.

 

Rz. 32

Institute, die Gutachten über internationales und ausländisches Privatrecht erteilen, sind beispielsweise

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg
Institut für ausländisches und Internationales Privatrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg
Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln
Institut für ausländisches und europäisches Privat- und Verfahrensrecht der Universität Leipzig
Institut für internationales Recht der Ludwig-Maximilians Universität München
Institut für Ostrecht München e.V. in München
Institut für internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Osnabrück
Institut für internationales und ausländisches Recht der Universität Passau.

Links zum IPR

www.successions-europe.eu
http://www.notarakademie.de/pb/,Lde/Startseite/IPR/Laenderliste#Liste
[42] MüKo/Birk, Art. 25 EGBGB Rn 79; Johnen, MittRhNotK 1986, 57.
[43] BGH BB 69, 197.
[44] KG FamRZ 1988, 434.
[45] BGH FamRZ 1989, 378.
[46] Kunz, IPR, Rn 89 ff.; Junker, IPR, Rn 230 ff.; Kegel, IPR, § 9.
[47] Schotten/Schmellenkamp, IPR, S. 41 a.E.; Schloßhauser-Selbach, IPR, Rn 131.
[48] Palandt/Thorn, Einl. vor Art. 3 EGBGB Rn 29.
[50] MüKo/Sonnenberger, Einl. zu Art. 3 EGBGB Rn 545 ff.
[51] Palandt/Thorn, Art. 3 EGBGB Rn 30.
[52] BVerfG NJW 1983, 511.

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