Rz. 103

Im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht,[156] das sich, wie festgestellt, nach dem Erbstatut richtet, können folgende Probleme auftreten:[157]

[156] Milzer, Auslandsvermögen und seine Auswirkungen auf Pflichtteils- und Noterbrechte, BWNotZ 2002, 166; Lehmann in Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht § 14.
[157] Vgl. Klingelhöffer, ZEV 1996, 258 ff.; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 184 ff., 741 ff.

a) Kein Pflichtteilsrecht in der ausländischen Rechtsordnung

 

Rz. 104

Viele Rechtsordnungen vor allem im anglo-amerikanischen Rechtskreis kennen kein Pflichtteilsrecht (Ausnahme Louisiana und Puerto Rico). Hinterlässt z.B. ein US-Amerikaner bewegliches Vermögen in Deutschland, stünde seinen Abkömmlingen kein Pflichtteilsanspruch zu. Hier stellt sich die Frage, ob diesem Ergebnis der ordre public entgegensteht. Der BGH hat dies offen gelassen.[158]

Ausdrücklich verneint wurde ein Verstoß gegen den ordre public vom OLG Köln[159] – allerdings in einem besonders gelagerten Fall – ohne nähere Begründung mit bloßem Hinweis auf RG JW 1912, 22.

In der Literatur wird teilweise[160] differenziert: Grundsätzlich ist die Versagung des Pflichtteilsrechts durch die ausländische Rechtsordnung zu respektieren, eine Ausnahme soll jedoch dann gelten, wenn der Pflichtteilsberechtigte der deutschen Sozialhilfe zur Last fallen würde. Andere[161] halten es "für nicht mehr hinnehmbar", den Pflichtteil zu Lasten eines minderjährigen oder bedürftigen Kindes zu entziehen, es sei denn, dass eine Kompensation – etwa durch Unterhaltsansprüche wie im englischen Recht – erfolgt.

[159] OLG Köln FamRZ 1976, 170.
[160] MüKo/Birk, Art. 25 EGBGB Rn 111.
[161] Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 695.

b) Nachlassspaltung

 

Rz. 105

Kommt es zu einer Nachlassspaltung, z.B. weil die ausländische Rechtsordnung das bewegliche Vermögen dem Recht des letzten Domizils und das unbewegliche Vermögen dem Recht des Belegenheitsstaates (lex rei sitae) unterwirft, sind Teilnachlässe nach der entsprechenden Rechtsordnung zu bilden. Zwei Grundkonstellationen sind problematisch:[162]

[162] Vgl. Klingelhöffer, ZEV 1996, 259.

aa) Kumulierung von Erb- und Pflichtteilsrecht

 

Rz. 106

 

Beispiel

Deutscher Erblasser vermacht einem Pflichtteilsberechtigten ein Grundstück in den USA und schließt ihn hinsichtlich des in Deutschland belegenen Nachlasses von der Erbfolge aus.

Fraglich ist dabei, ob der Pflichtteilsberechtigte hier hinsichtlich des deutschen Nachlasses den Pflichtteil geltend machen kann. Entschieden wurde diese Problematik für österreichisches Recht[163] dahingehend, dass "auch der Wert des dem Kläger zukommenden beweglichen Nachlasses der Erblasserin und dessen rechtliches Schicksal berücksichtigt werden" muss. Letztlich wird wohl eine Gesamtbetrachtungsweise vorzunehmen sein.

[163] OGH IPRax 1988, 37 ff.

bb) Kollisionsrechtliche Mangelfälle

 

Rz. 107

 

Beispiel

Deutscher Erblasser hinterlässt umfangreichen Immobilienbesitz in den USA. Pflichtteilsanspruch des Abkömmlings?

Diese Frage wird teilweise mit einer entsprechenden Anwendung des § 2325 BGB beantwortet.[164] Eine Klärung durch die Rechtsprechung ist noch nicht erfolgt.

[164] Vgl. im einzelnen Klingelhöffer, a.a.O. S. 260; vgl. auch Bestelmeyer, ZEV 2004, 359.

c) Geltendmachung des Pflichtteilsrechts

 

Rz. 108

Auch die Art und Weise der Geltendmachung des Pflichtteilsrechts richtet sich nach dem Erbstatut.[165]

[165] Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 187.

d) Gestaltungsmöglichkeiten

 

Rz. 109

Nachdem das Pflichtteilsrecht mit dem Erbstatut, nach deutscher Sichtweise mit der Staatsangehörigkeit, gekoppelt ist, kann durch Rechtswahl grundsätzlich keine Änderung herbeigeführt werden. Dem künftigen Erblasser hilft allenfalls ein Wechsel der Staatsangehörigkeit. Die Anwendung der so "gewählten" Rechtsordnung kann aber wiederum mit dem ordre public kollidieren.

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