Rz. 15

In Familienunternehmen und Unternehmerfamilien treffen widersprüchliche Prinzipien aufeinander: die Emotionen der Familie und die Rationalität des Unternehmens.[7] Das Miteinander in der Familie ist auf Beziehung ausgerichtet und geprägt von Fürsorge, Gleichwertigkeit und Konstanz. Die Person steht im Mittelpunkt. Im Unternehmen hingegen herrscht Zweckorientierung, sind Wettbewerb, Hierarchie und Dynamik bestimmend. Es geht weniger um die Person als ihre Funktion.

Abb. 2: Widersprüchliche Maßstäbe in Familie und Unternehmen

 

Rz. 16

Für den Unternehmer, der gleichzeitig Vater ist, erschwert das die Entscheidung über die Unternehmensnachfolge. Das, was aus Sicht des Unternehmens richtig ist, z.B. eine vorrangig leistungsbezogene Beurteilung der Kinder, kann in der Familie zu Konflikten führen. Was aus familiärer Sicht wünschenswert erscheint, z.B. die Gleichbehandlung aller Kinder, ist für das Unternehmen womöglich nicht tragbar. Die Widersprüchlichkeit von Entscheidungskriterien erfordert eine Priorisierung. Verständlicherweise wird das als Herausforderung empfunden. Verunsicherung führt dazu, dass Entscheidungen vertagt werden. Unternehmen und Familie werden zu spät bzw. inkonsequent auf den Generationenwechsel vorbereitet.

 

Rz. 17

Die Verquickung von Funktion und Person äußert sich in Missverständnissen. Der Sohn hört nicht den Unternehmer, sondern den Vater sagen: "Victor, du bist nicht der richtige Nachfolger." Die Entscheidung mag den Erhalt des Vermögens sichern, den Zusammenhalt in der Familie dürfte sie gefährden.

Eine Unterscheidung von Funktion und Person hingegen ermöglicht eine differenziertere Kommunikation. Die Entscheidungsparameter aus Sicht des Unternehmers und des Vaters, die Abwägung und die Schlussfolgerungen sind transparent zu machen. Das versachlicht die Situation. Es ermöglicht Vater und Sohn bzw. Unternehmer und potentiellem Nachfolger nachvollziehbar miteinander zu kommunizieren.

 

Rz. 18

Die fehlende Unterscheidung von Funktion und Person stellt Familien aber nicht nur bei der Vermögensübertragung, sondern auch in ihrer Zusammenarbeit vor Herausforderungen. Ob als Gesellschafter, in der Geschäftsführung oder auf unterschiedlichen Hierarchieebenen im Unternehmen – es ist nützlich, sich die Prinzipien des Miteinanders im Unternehmen bewusst zu machen und von den familiären zu unterscheiden. Familiäre Rücksichtnahmen oder ein Gleichbehandlungsgebot für Geschwister auf unterschiedlichen Hierarchieebenen führt über kurz oder lang zu Konflikten.

Paradoxien im Familienunternehmen sind längst im Blick der Forschung.[8] Unter Hinweis auf die systemische Familienpsychologie formulieren Hennerkes/Kirchdörfer folgende Übersicht:

Abb. 3: Paradoxien in Familienunternehmen[9]

 

Rz. 19

Als Besonderheit von Familienunternehmen wird gern ihre familiäre Kultur herausgestellt. Der Einfluss typischer familiärer Werte auf die Unternehmenskultur wird als Vorteil gewertet. Die Integration paradoxer Maßstäbe in die Unternehmenskultur trainiert einen konstruktiven Umgang mit Widersprüchen.[10]

Diese Fruchtbarmachung von Paradoxien ist von der Verquickung von Funktion und Person zu unterscheiden. Geht es bei der familiären Unternehmenskultur um Prinzipien, die für alle Mitarbeiter gleichermaßen gelten, so geht es bei der Vermischung von Funktion und Person um individuelle Erwartungen oder Verhaltensweisen aufgrund unterschiedlicher Beziehungen zweier Personen. Familiäre Rollen und berufliche Rollen werden vermischt (Bruder/Geschäftsführer und Schwester/Buchhalterin; Mutter/Gesellschafterin und Sohn/Geschäftsführer etc.). Abweichungen von den üblichen Verhaltensnormen erschweren den Umgang miteinander.

[7] Vgl. auch Baus, Familienstrategie, S. 4.
[8] Simon/Wimmer/Groth, S. 30 ff., mit einer ausführlicher Auflistung der Paradoxien S. 35–38.
[9] Hennerkes/Kirchdörfer, Die Familie und ihr Unternehmen, S. 77.
[10] Fritsch, in Riedel (Hrsg.), Praxishandbuch Unternehmensnachfolge, § 22 Rn 51 ff.

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