I. Allgemeines zu den Auskunftsansprüchen

 

Rz. 125

Der Pflichtteilsberechtigte kann grundsätzlich eine vom Zahlungsanspruch getrennte Auskunftsklage hinsichtlich der Höhe und des Umfangs des Nachlasses erheben.[230] Dies wird der Pflichtteilsberechtigte dann tun, wenn die Gefahr einer Verjährung nicht gegeben ist oder wenn der Pflichtteilsschuldner auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet bzw. eine Verjährungsverlängerungsvereinbarung getroffen hat. Vorteilig sind hierbei sicherlich das geringere Prozesskostenrisiko des Pflichtteilsberechtigten sowie die Tatsache, dass oftmals bereits im Rahmen der Auskunftsklage, insbesondere auf Veranlassung des Gerichts, eine vergleichsweise Beilegung der Streitigkeit auch über den Zahlungsanspruch erfolgen kann.[231] Ist der Pflichtteilsberechtigte nach erteilter Auskunft dennoch auf eine Zahlungsklage angewiesen, so entstehen lediglich die höheren Prozesskosten für zwei Prozesse. Aufgrund der zuvor erteilten Auskunft kann der Pflichtteilsberechtigte diese jedoch einschätzen, und im Falle des Unterliegens hat der Pflichtteilsschuldner die Prozesskosten zu tragen.

 

Rz. 126

Bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs sind im Wesentlichen zwei Anspruchsgrundlagen zu unterscheiden: zum einen die Vorschrift des § 2314 BGB, die dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf Auskunft über den tatsächlichen und fiktiven Nachlassbestand des Erblassers gewährt. Des Weiteren steht dem pflichtteilsberechtigten Abkömmling aber auch ein Auskunftsanspruch gegenüber den übrigen Abkömmlingen nach §§ 2057, 2316 BGB zu. Dieser richtet sich grundsätzlich gegen die Geschwister des Pflichtteilsberechtigten bzw. deren Abkömmlinge, falls sie selbst vorverstorben sind, und ist inhaltlich auf die Auskunft über ausgleichungspflichtige Vorempfänge gerichtet. Neben dem Anspruch aus § 2314 BGB steht dem Pflichtteilsberechtigten z.B. auch der Anspruch auf Einsicht in Urkunden nach § 810 BGB zu.[232]

 

Rz. 127

Bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB ist darauf zu achten, dass dem Pflichtteilsberechtigten verschiedene Varianten des Auskunftsanspruchs zustehen. Er kann nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB die Vorlage eines privaten Nachlassverzeichnisses oder nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB die Vorlage eines amtlichen Nachlassverzeichnisses verlangen.[233] Nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB hat er sogar die Möglichkeit, seine Hinzuziehung bei der Errichtung des Nachlassverzeichnisses zu verlangen.

 

Rz. 128

Übersicht: Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche

 
§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB Privates Nachlassverzeichnis Pflichtteilsberechtigter Nichterbe
§ 2314 Abs. 1 S. 3 BGB Notarielles Nachlassverzeichnis Pflichtteilsberechtigter Nichterbe
§ 2314 Abs. 1 S. 3 BGB Hinzuziehung bei der Erstellung Pflichtteilsberechtigter Nichterbe
§ 2314 BGB analog Für den fiktiven Nachlass Pflichtteilsberechtigter Nichterbe
§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses Pflichtteilsberechtigter Nichterbe
§ 242 BGB Auskunftsanspruch hinsichtlich Schenkungen Pflichtteilsberechtigter Miterbe
§ 242 BGB Wertermittlungsanspruch bzgl. Schenkungen auf eigene Kosten Pflichtteilsberechtigter Miterbe
 

Rz. 129

Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten ist grundsätzlich sofort fällig; einer Fristsetzung hierfür bedarf es nicht (§ 271 BGB).[234]

 

Rz. 130

Der Auskunftsanspruch ist im Wege der Leistungsklage geltend zu machen und kann nicht durch eine einstweilige Verfügung erzwungen werden.[235]

 

Rz. 131

Im Hinblick auf die sachliche und örtliche Zuständigkeit siehe Rdn 14 ff.

[230] OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1236; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 857.
[231] In diesem Fall ist zu beachten, dass neben der 1,0 Einigungsgebühr hinsichtlich des Auskunftsanspruches eine 1,5 Einigungsgebühr hinsichtlich des nicht anhängigen Zahlungsanspruches besteht.
[232] AG Rotenburg ZEV 2009, 303.
[233] Zum notariellen Verzeichnis vgl. Nieder, ZErb 2004, 60.
[234] Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 87.
[235] MüKo-BGB/Lange, § 2314 Rn 46.

II. Auskunftsanspruch nach §§ 2057, 2316 BGB

 

Rz. 132

Im Rahmen eines jeden Pflichtteilsprozesses ist darauf zu achten, dass sich der Pflichtteilsanspruch durch lebzeitige Vorempfänge des Erblassers modifizieren kann, und zwar sowohl zugunsten des Pflichtteilsberechtigten, wenn z.B. seinen Geschwistern ausgleichspflichtige Zuwendungen gemacht wurden, aber auch zu seinen Lasten, wenn er selbst Vorempfänge zur Ausgleichung bringen muss, die er vom Erblasser erhalten hat, oder wenn eines seiner Geschwister Leistungen nach § 2057a BGB erbracht hat.

 

Rz. 133

Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch hinsichtlich der lebzeitigen Vorempfänge ist die Vorschrift des § 2057 BGB. Danach sind die Abkömmlinge verpflichtet, über diejenigen Zuwendungen, die sie seitens des Erblassers erhalten haben und die nach §§ 2050 ff. BGB ausgleichspflichtig sein könnten, den übrigen Abkömmlingen Auskunft zu erteilen. Zur Auskunft verpflichtet, aber auch berechtigt, sind danach grundsätzlich nur die Abkömmlinge. Dies gilt sowohl im Falle der gesetzlichen Erbfolge als auch für den Fall, dass nach § 2052 BGB eine der gesetzlichen Erb...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge