Rz. 75

Höchst umstritten und in der Rechtsprechung bislang nicht entschieden ist die Frage, ob der Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Beschenkten geltend gemacht werden kann, wenn ein an sich verpflichteter und unbeschränkt haftender Erbe zahlungsunfähig ist. Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum verneint in einem solchen Fall die subsidiäre Haftung des Beschenkten[130] mit der Begründung, dass sich aus dem Gesetz nicht entnehmen lasse, dass der Beschenkte auch das Insolvenzrisiko zu tragen habe und dass derartige in der Person des Erben liegende Umstände seine Verpflichtung i.S.d. § 2329 BGB nicht entfallen lassen. Kipp/Coing[131] und v. Olshausen[132] bejahen hingegen einen Durchgriff auf den Beschenkte für den Fall, dass der eigentlich verpflichtete Erbe zahlungsunfähig ist, mit der Begründung, dass der Wortlaut des § 2329 BGB "nicht verpflichtet" nicht im technischen Sinne zu verstehen ist und dass es der Natur der Sache entspreche, dass dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten nicht das Insolvenzrisiko auferlegt werden kann. Die vom Gesetzgeber nicht gesehene Lücke kann daher nicht zu Lasten des Ergänzungsberechtigten gehen.

[130] MüKo-BGB/Lange, § 2329 Rn 2; Soergel/Dieckmann, § 2329 Rn 8; Haegele, BWNotZ 1972, 73; Lenz/Riedel, ZErb 2002, 4.
[131] Kipp/Coing, Erbrecht, § 13 VI 1 (S. 97).
[132] Staudinger/v. Olshausen, § 2329 Rn 10.

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