1. Allgemeines

 

Rz. 44

Grundsätzlich kann Inhalt eines Vermächtnisses jeder im Nachlass befindliche Gegenstand oder jedes durch den Erben einräumbare Recht sein. Beim Verschaffungsvermächtnis[47] besteht im Gegensatz zur sonstigen Vermächtnisanordnung die Besonderheit, dass ein nicht (mehr) zum Nachlass gehörender bestimmter Gegenstand oder ein Recht vermacht wird, indem der Beschwerte verpflichtet wird, dem Bedachten den entsprechenden Gegenstand oder das Recht nach dem Erbfall zu verschaffen, § 2170 BGB.

Aus der Anordnung des Erblassers muss sich ergeben, dass er das Vermächtnis auch gerade für diesen Fall angeordnet hat.[48] Ist der mit dem Verschaffungsvermächtnis Beschwerte nicht in der Lage, das Vermächtnis zu erfüllen, so hat er gemäß § 2170 Abs. 2 S. 1 BGB den Wert zu ersetzen. Sofern die Verschaffung des Vermächtnisgegenstandes nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, kann sich der Beschwerte durch Entrichtung des Wertersatzes hiervon befreien (§ 2170 Abs. 2 S. 2 BGB).[49]

 

Rz. 45

Unmögliches oder ungesetzliches Vermächtnis:

Ein Vermächtnis, das zu einer objektiv unmöglichen Leistung verpflichtet, ist unwirksam. § 2171 Abs. 1 BGB, der diese Rechtsfolge anordnet, erfasst die anfängliche objektive Unmöglichkeit eines Vermächtnisses und stellt nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung, sondern konsequenterweise auf den Zeitpunkt des Erbfalls ab, weil eine Vermächtnisanordnung zwar im Zeitpunkt der Testamentserrichtung existent, aber noch nicht rechtswirksam ist.

Ist die Wirksamkeit eines Vermächtnisses von einer behördlichen Genehmigung abhängig, bspw. nach GrundstVG,[50] so ist die Anordnung bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam. Bei Versagung der Genehmigung tritt nachträgliche Unmöglichkeit ein.[51]

 

Rz. 46

Wird das Vermächtnis durch Erbvertrag angeordnet (§ 2278 Abs. 2 BGB), könnte § 2288 Abs. 2 BGB anzuwenden sein. Falls nämlich der Erblasser den vermachten Gegenstand vor dem Erbfall in Beeinträchtigungsabsicht veräußert oder belastet hat, so ist der Erbe auch ohne besondere Anordnung verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen.

[47] Vgl. zum Verschaffungsvermächtnis auch BGH DB 1983, 1037 und Bühler, DNotZ 1964, 581.
[48] MüKo/Rudy, § 2170 Rn 1; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 2170 Rn 1.
[49] Nieder/Kössinger, HdB Testamentsgestaltung, § 9 Rn 61.
[50] Zum Vermächtnis eines landwirtschaftlichen Grundstücks an einen Nichtlandwirt vgl. OLG Stuttgart BWNotZ 1964, 335.
[51] BGHZ 37, 233.

2. Auslegung und Beweislast

 

Rz. 47

Gemäß § 2169 BGB wird vermutet, ein Vermächtnis sei unwirksam, wenn der zugewandte Gegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr im Nachlass vorhanden ist. Deshalb trägt der mit dem Vermächtnis Bedachte die Beweislast dafür, dass der Erblasser ihm entgegen § 2169 Abs. 1 BGB den nachlassfremden Gegenstand zuwenden wollte.[52] Indiz hierfür ist das Wissen des Erblassers im Anordnungszeitpunkt, dass der Gegenstand nicht zum Nachlass gehören würde oder sein Irrtum, der Gegenstand gehöre zu seinem Vermögen.

In jedem Fall sollte der Wille des Erblassers, nicht zu seinem Nachlass gehörende Gegenstände vermächtnisweise zuwenden zu wollen, eindeutig zum Ausdruck kommen. Zusätzlich zu diesem qualifizierten Zuwendungswillen[53] sollte auch klargestellt werden, in welchem Umfang der Beschwerte zum Einsatz von Nachlassmitteln verpflichtet sein soll, um eine Erfüllung des Vermächtnisses zu bewirken.

Nach § 2169 Abs. 1 BGB tritt nämlich im Falle der Veräußerung des vermachten Gegenstandes durch den Erblasser der Erlös grundsätzlich nicht an die Stelle des Vermächtnisgegenstandes.[54]

 

Rz. 48

Ein Verschaffungsvermächtnis ist auch dann anzunehmen, wenn der Erblasser dem Bedachten den vermachten Gegenstand unbedingt zukommen lassen wollte und dieser wirtschaftlich im Nachlass enthalten ist.[55]

In der konkreten Gestaltung bietet sich die ausdrückliche Anordnung gerade auch für den Fall an, dass der Gegenstand im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr vorhanden ist; besser ist es, das Vermächtnis zusätzlich ausdrücklich als Verschaffungsvermächtnis zu bezeichnen.

[52] OLG Karlsruhe v. 16.10.2007 – 10 U 134/06, ErbR 2008, 298; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 2169 Rn 8; MüKo/Rudy, § 2169 Rn 10.
[53] Vgl. hierzu u.a. Nieder/Kössinger, HdB Testamentsgestaltung, § 9 Rn 62.
[54] BGHZ 31, 13, 22; BayObLG FamRZ 2005, 480.
[55] BGH NJW 1983, 937.

3. Praktische Anwendung und Grenzen

 

Rz. 49

In der Praxis kommen Verschaffungsvermächtnisse bei Gesamthands- oder Miteigentum vor oder bei Herausgabevermächtnissen, bei denen ein Inbegriff von Gegenständen oder ein Bestand von Zubehörstücken herauszugeben ist. Auch ein Nutzungsrecht (Nießbrauch, Wohnungsrecht) kann Gegenstand eines Verschaffungsvermächtnisses sein.[56]

Die Erben oder Hauptvermächtnisnehmer können aber nicht unbegrenzt mit einem Verschaffungsvermächtnis belastet werden. Eine Grenze bildet insoweit die beschränkte Erbenhaftung[57] sowie die Beschränkung eines Untervermächtnisses auf den Wert des Hauptvermächtnisses gemäß § 2187 Abs. 1 BGB. Danach sind dem Verschaffungsvermächtnis ins...

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