I. Allgemeines

 

Rz. 42

Die Bandbreite möglicher Vermächtnisformen und auch Vermächtnisinhalte ist groß. Denn Gegenstand eines Vermächtnisses kann nach § 1939 BGB jeder "Vermögensvorteil" sein. Als Vermächtnisgegenstand kommt daher im Prinzip alles in Frage, was Inhalt einer Leistungspflicht sein kann,[43] insbesondere Sachen und Rechte (Gesellschaftsanteile, Nutzungsrechte, insbesondere Nießbrauch und Wohnungsrecht etc., Forderungsrechte). Möglich ist aber auch die Anordnung von Vermächtnisansprüchen, die auf ein tatsächliches Tun oder Unterlassen des Beschwerten (beispielsweise den Verzicht auf die Ausübung bestimmter Gestaltungsrechte) abzielen.[44] Im Unterschied zur Auflage muss aber der Inhalt des Vermächtnisses einen Vermögensvorteil für den Vermächtnisnehmer darstellen, wobei dieser nicht zwingend mit einer wirtschaftlichen Bereicherung verbunden sein muss.[45]

 

Rz. 43

Bei der Anordnung von Vermächtnissen ist zwischen der Vermächtnisform und dem Vermächtnisgegenstand (Inhalt) zu unterscheiden. Bei der Vermächtnisform handelt es sich um die vom Gesetz jeweils vorgesehenen Möglichkeiten, die Art der Vermächtnisanordnung zu wählen. So kann z.B. ein Gegenstand durch Verschaffungsvermächtnis zugewandt werden oder dem Bedachten kann durch Anordnung eines Wahlvermächtnisses die Entscheidung, welchen Gegenstand er erhalten will, selbst überlassen werden. Ferner kann durch Vermächtnis der Nachlass auch erschöpfend ausgekehrt werden (Universalvermächtnis).[46]

[43] Z.B. BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 140/03, DNotZ 2005, 49; vgl. auch Nieder/Kössinger, HdB Testamentsgestaltung, § 9 Rn 8.
[44] Nieder/Kössinger, HdB Testamentsgestaltung, § 9 Rn 8; Staudinger/Otte, § 1939 Rn 7.
[45] Staudinger/Otte, § 1939 Rn 8.
[46] Vgl. etwa auch zur Möglichkeit der Vermächtnisanordnung durch Negativabgrenzung Feick, ZEV 2002, 86.

II. Das Verschaffungsvermächtnis

1. Allgemeines

 

Rz. 44

Grundsätzlich kann Inhalt eines Vermächtnisses jeder im Nachlass befindliche Gegenstand oder jedes durch den Erben einräumbare Recht sein. Beim Verschaffungsvermächtnis[47] besteht im Gegensatz zur sonstigen Vermächtnisanordnung die Besonderheit, dass ein nicht (mehr) zum Nachlass gehörender bestimmter Gegenstand oder ein Recht vermacht wird, indem der Beschwerte verpflichtet wird, dem Bedachten den entsprechenden Gegenstand oder das Recht nach dem Erbfall zu verschaffen, § 2170 BGB.

Aus der Anordnung des Erblassers muss sich ergeben, dass er das Vermächtnis auch gerade für diesen Fall angeordnet hat.[48] Ist der mit dem Verschaffungsvermächtnis Beschwerte nicht in der Lage, das Vermächtnis zu erfüllen, so hat er gemäß § 2170 Abs. 2 S. 1 BGB den Wert zu ersetzen. Sofern die Verschaffung des Vermächtnisgegenstandes nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, kann sich der Beschwerte durch Entrichtung des Wertersatzes hiervon befreien (§ 2170 Abs. 2 S. 2 BGB).[49]

 

Rz. 45

Unmögliches oder ungesetzliches Vermächtnis:

Ein Vermächtnis, das zu einer objektiv unmöglichen Leistung verpflichtet, ist unwirksam. § 2171 Abs. 1 BGB, der diese Rechtsfolge anordnet, erfasst die anfängliche objektive Unmöglichkeit eines Vermächtnisses und stellt nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung, sondern konsequenterweise auf den Zeitpunkt des Erbfalls ab, weil eine Vermächtnisanordnung zwar im Zeitpunkt der Testamentserrichtung existent, aber noch nicht rechtswirksam ist.

Ist die Wirksamkeit eines Vermächtnisses von einer behördlichen Genehmigung abhängig, bspw. nach GrundstVG,[50] so ist die Anordnung bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam. Bei Versagung der Genehmigung tritt nachträgliche Unmöglichkeit ein.[51]

 

Rz. 46

Wird das Vermächtnis durch Erbvertrag angeordnet (§ 2278 Abs. 2 BGB), könnte § 2288 Abs. 2 BGB anzuwenden sein. Falls nämlich der Erblasser den vermachten Gegenstand vor dem Erbfall in Beeinträchtigungsabsicht veräußert oder belastet hat, so ist der Erbe auch ohne besondere Anordnung verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen.

[47] Vgl. zum Verschaffungsvermächtnis auch BGH DB 1983, 1037 und Bühler, DNotZ 1964, 581.
[48] MüKo/Rudy, § 2170 Rn 1; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 2170 Rn 1.
[49] Nieder/Kössinger, HdB Testamentsgestaltung, § 9 Rn 61.
[50] Zum Vermächtnis eines landwirtschaftlichen Grundstücks an einen Nichtlandwirt vgl. OLG Stuttgart BWNotZ 1964, 335.
[51] BGHZ 37, 233.

2. Auslegung und Beweislast

 

Rz. 47

Gemäß § 2169 BGB wird vermutet, ein Vermächtnis sei unwirksam, wenn der zugewandte Gegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr im Nachlass vorhanden ist. Deshalb trägt der mit dem Vermächtnis Bedachte die Beweislast dafür, dass der Erblasser ihm entgegen § 2169 Abs. 1 BGB den nachlassfremden Gegenstand zuwenden wollte.[52] Indiz hierfür ist das Wissen des Erblassers im Anordnungszeitpunkt, dass der Gegenstand nicht zum Nachlass gehören würde oder sein Irrtum, der Gegenstand gehöre zu seinem Vermögen.

In jedem Fall sollte der Wille des Erblassers, nicht zu seinem Nachlass gehörende Gegenstände vermächtnisweise zuwenden zu wollen, eindeutig zum Ausdruck kommen. Zusätzlich zu diesem qu...

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