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Die Zahl der sog. Betroffenenanfragen nach Art. 15 DSGVO steigen aus Sicht des Autors immer mehr. Hinzu kommt, dass immer mehr "Legal Tech"-Anbieter auf den Markt strömen, die Betroffenen die Stellung automatisierter Anfragen erleichtern. Zum Teil steht die Absicht hinter derlei Anfragen, im Fall verspäteter oder falscher Beauskunftung mit Schadensersatzansprüchen "nachzufassen", da die Instanzrechtsprechung, insbesondere im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit, in der Vergangenheit zum Teil großzügige immaterielle Schadensersatzsummen zugesprochen hat. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat in der Vergangenheit jedoch das Überschreiten einer Bagatellschwelle (Erheblichkeit) gefordert. Einen gewissen Grad der Klärung hat die Entscheidung des EuGH vom 4.5.2023 in der Rechtssache C-300/21 mit sich gebracht, die auch Auswirkungen auf die gerichtliche Praxis in Deutschland haben wird. Einerseits hat der EuGH ausdrücklich klargestellt, dass das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle keine Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist, andererseits genügt aber der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nicht aus, es muss irgendein darauf beruhender materieller oder immaterieller Schaden dargelegt werden. Es wird sich zeigen, wie die deutsche Rechtsprechung diese Leitlinien des EuGH interpretiert und anwendet, das Echo in der Literatur ist jedenfalls gespalten: Während manche Autoren durch das Darlegungserfordernis eines Schadens eine faktische Bagatellschwelle eingezogen sehen, interpretieren andere den EuGH so, dass jedes geringe Unwohlsein auf Seiten des Betroffenen ausreicht, um die formale Hürde zu nehmen.

Das vorliegende Anschreiben soll dem Adressaten in jedem Fall signalisieren, dass die fristgerechte Auskunftserteilung von großer Bedeutung ist, auch um Schadensersatzansprüchen zu entgehen. Die bloße Fristversäumnis dürfte zwar nicht mehr ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, im Fall der Beschwerde könnte es aber die zuständige Aufsichtsbehörde auf den Plan rufen, was schlimmstenfalls zu behördlichem Einschreiten oder Bußgeldverfahren führen kann. Gleichzeitig soll – jedenfalls im Ausgangspunkt – aufgezeigt werden, mit welchen "Tricks", insbesondere in Form von Rückfragen, noch Zeit gewonnen werden kann. In der anwaltlichen Beratung des konkreten Falls bedarf es hier auch vor dem Hintergrund der anwaltlichen Haftung Fingerspitzengefühl und ein restriktives, vorsichtiges Vorgehen dürfte bei der im Zweifel betroffenenfreundlichen Behördenpraxis angezeigt sein.

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