Rz. 121
Bei einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör lassen sich aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vier Fallgruppen ableiten:[86]
aa) Pannenfälle
Rz. 122
Bei diesen Pannenfällen erfolgt der Verstoß gegen das rechtliche Gehör unbeabsichtigt. Von dieser Fallgruppe sind insbesondere Situationen erfasst, in denen versehentlich Schriftsätze nicht berücksichtigt wurden oder aber versehentlich Beweisangebote übergangen wurden.[87]
Rz. 123
Hinweis
bb) Präklusionsfälle
Rz. 124
Diese Kategorie von Gehörsverletzungen liegt vor, wenn durch fehlerhafte Anwendung von zivilprozessualen Vorschriften Vorbringen der Parteien nicht vom Gericht berücksichtigt wurde. Hauptanwendungsfall bilden die Fälle, in denen Vortrag der Parteien fehlerhaft als verspätet zurückgewiesen und daher bei der Entscheidung nicht mehr berücksichtigt wurde. Dies gilt aber auch, wenn bloßes Nichtbestreiten i.S.d. § 138 Abs. 3 ZPO als gerichtliches Geständnis vom Gericht behandelt wurde.[88]
cc) Hinweisfälle
Rz. 125
Bei diesen Fällen geht es um die richtige Anwendung des § 139 ZPO durch das Gericht. Dabei ist jedoch bereits zu berücksichtigen, dass nicht jeder Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht gleichzeitig einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör begründet und damit eine Gehörsrüge begründet wäre.
Rz. 126
Tipp
Sollte Ihnen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Gericht ein Hinweis erteilt werden und Sie können auf diesen Hinweis nicht sofort reagieren, müssen Sie eine Erklärungsfrist nach § 139 Abs. 5 ZPO beantragen, um insbesondere die Präklusionsvorschriften zu umgehen.
Rz. 127
Grundsätzlich darf das Gericht ohne vorherigen Hinweis nicht Anforderungen an den Sachvortrag stellen oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellen, mit denen auch eine gewissenhafte und kundige Partei nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.[89] Mit anderen Worten darf das Gericht keine Überraschungsentscheidungen fällen. Dabei geht es häufig um die Frage, ob das Gericht einen Klagevortrag als unsubstantiiert behandeln durfte, ohne vorher hierauf hingewiesen zu haben. Dies wird man nur dann annehmen können, wenn der Gegner bereits auf die Unsubstantiiertheit des Vortrages hingewiesen hat.
Rz. 128
Tipp
Aus § 139 Abs. 4 ZPO ergibt sich, dass derjenige Hinweis, der nicht aktenkundig gemacht wurde, als nicht gegeben anzusehen ist.
dd) Nichtberücksichtigungsfälle
Rz. 129
In dieser Kategorie geht es um Fälle, in denen ein Urteil unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist.[90] In diesen Fällen wird neben der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegen.[91]
Rz. 130
Hinweis
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