I. Prospektbegriff

 

Rz. 5

Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne[22] ist von der Haftung wegen fehlerhafter Beratung und Aufklärung zu unterscheiden, weil sie nicht an persönliches Vertrauen eines Kapitalanlegers aus einem bestimmten Rechtsverhältnis anknüpft, sondern an typisiertes Vertrauen von Anlegern auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts.[23]

 

Rz. 6

Für die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne gilt ein erweiterter Prospektbegriff.[24] Prospekt ist danach eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt.[25] Sie muss dabei tatsächlich oder zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend unterrichtende Beschreibung der Anlage zu sein.[26] Auch ein körperlich von dem ausdrücklich als Emissionsprospekt bezeichneten Druckwerk getrenntes Schriftstück, das zusammen mit diesem vertrieben wird, kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Bestandteil eines Anlageprospekts im Rechtssinn sein.[27] Dies gilt etwa für als Sonderdrucke verteilte Presseartikel oder als Produktinformation bezeichnete zusätzliche Schriftstücke.[28]

 

Rz. 7

Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung kann in Anspruchskonkurrenz stehen mit einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl. § 10 Rdn 13).[29]

[22] Hierzu Nobbe, WM 2013, 193, 197 ff.
[23] Vgl. BGHZ 145, 187, 196 = WM 2000, 2447 = NJW 2001, 360; BGH, WM 2004, 928, 929 f.; BGH, WM 2004, 1869 = NJW 2004, 3420, 3421; BGH, 14.6.2007 – III ZR 185/05, NJW-RR 2007, 1479, 1481, Tz. 18; BGH, 14.1.2008 – II ZR 85/07, WM 2008, 1116, Tz. 2; BGH, 19.11.2009 – III ZR 109/08, WM 2010, 25, 26, Tz. 13; Siol, DRiZ 2003, 204; Dörr, WM 2010, 533, 537 f.; Panetta/Zessel, NJW 2010, 1045.
[24] Nobbe, WM 2013, 193, 198.
[29] BGH, NJW 2004, 3420 = WM 2004, 1869 = ZIP 2004, 1810.

II. Prospektverantwortliche

 

Rz. 8

Der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung unterliegen die Prospektverantwortlichen, die das ihnen typischerweise entgegengebrachte ("standardisierte") Vertrauen der Kapitalanleger auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts enttäuschen.[30]

Verantwortlich für den Prospekt sind

die Initiatoren, Gestalter und Gründer der Anlagegesellschaft, die das Management bilden oder beherrschen;[31]
diejenigen Personen, die hinter der Anlagegesellschaft oder dem Projekt stehen und – neben der Geschäftsleitung – besonderen Einfluss in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen, z.B. als Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichts- oder Beirats;[32]
diejenigen Personen – etwa Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer –, die wegen ihrer herausgehobenen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder als berufsmäßige Sachkenner eine "Garantenstellung" einnehmen und mit ihrer Zustimmung als Fachkundige im Prospekt angeführt werden und darin Erklärungen abgeben, also durch ihre erkennbare Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin einen besonderen – zusätzlichen – Vertrauenstatbestand schaffen.[33]
 

Rz. 9

Eine Prospekthaftung eines Rechtsanwalts ist angenommen worden, weil ein Prospekt ein Kurzgutachten des Anwalts wiedergab.[34] In einem weiteren Fall ist ein Rechtsanwalt als Prospektverantwortlicher angesehen worden, weil er im Prospekt als Inhaber des Anderkontos aufgeführt wurde, durch das Anlegerzahlungen gesichert werden sollten.[35] In solchen Fällen der Prospekthaftung aufgrund einer Garantenstellung haftet ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben nur insoweit, als diese sich auf den in Anspruch genommenen Verantwortlichen beziehen und ihm zuzurechnen sind;[36] anders als andere Prospektverantwortliche tragen Rechtsberater regelmäßig keine allgemeine Verantwortung für den Prospektinhalt.[37]

 

Rz. 10

Dagegen wurde keine Prospekthaftung eines Wirtschaftsprüfers angenommen, der im Rahmen eines Kapitalanlagemodells Einzahlungen der Anleger und die Mittelverwendung pflichtwidrig nicht geprüft hatte; jedoch wurde eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht gezogen (vgl. § 13 Rdn 8, 24).[38] Allein daraus, dass im Verkaufsprospekt im Einverständnis mit dem Wirtschaftsprüfer dessen Betätigungsvermerk zum letzten Jahresabschluss mit der Erklärung enthalten ist, i.R.d. Vorprüfung des nächsten Jahresabschlusses seien keine Anhaltspunkte für eine vom Vorjahr abweichende Beurteilung bekannt geworden, ergibt sich keine prospekthaftungsrech...

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