Rz. 1
Haben die Parteien erfolglos versucht, sich in einem Rechtsstreit (auch) über nicht anhängige Gegenstände zu einigen, so entsteht aus diesem Mehrwert die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV nur zu 0,8 (Nr. 3101 Nr. 2, 2. Alt. VV) sowie die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV (siehe dazu § 13 Rdn 247 ff.). Wird hinsichtlich dieser Gegenstände später anderweitig noch ein Rechtsstreit geführt, so sind zwei Anrechnungsbestimmungen zu beachten.
Rz. 2
Nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV wird von dem sich nach § 15 Abs. 3 RVG ergebenden Gesamtbetrag der die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV aus dem Wert der anhängigen Gegenstände übersteigende Betrag auf eine Verfahrensgebühr angerechnet, die wegen desselben Gegenstands in einer anderen Angelegenheit entsteht. Kommt es nicht zu einer Kürzung nach § 15 Abs. 3 RVG ist erst recht anzurechnen, und zwar dann die komplette 0,8-Verfahrensgebühr aus Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV. Anzurechnen ist in beiden Fällen nach folgender Formel:
Rz. 3
Anrechnungsformel Verfahrensgebühr (Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV)
1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der anhängigen Gegenstände | ||
+ | 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Wert der nicht anhängigen Gegenstände | |
(gegebenenfalls nach § 15 Abs. 3 RVG gekürzt) | ||
– | 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der anhängigen Gegenstände | |
= | anzurechnender Betrag |
Rz. 4
Bei mehreren Auftraggebern ist mit den entsprechenden erhöhten Gebührensätzen (Nr. 1008 VV) zu rechnen, also z.B. bei zwei Auftraggebern mit 1,6 und 1,1.
Rz. 5
Auch bei der Terminsgebühr hat in diesem Fall eine Anrechnung zu erfolgen. Der Mehrbetrag der Terminsgebühr, der aus dem Mehrwert der nicht anhängigen Gegenstände entsteht, ist auf die Terminsgebühr des späteren Verfahrens anzurechnen, soweit diese aus demselben Gegenstand entsteht. Anzurechnen ist hier nach folgender Formel:
Rz. 6
Anrechnungsformel Terminsgebühr (Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV)
1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert | ||
– | 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert der anhängigen Gegenstände | |
= | anzurechnender Betrag |
Rz. 7
Beispiel 1: Anrechnung der Verfahrens- und Terminsgebühr nach gescheiterter Einigung in einem nachfolgenden erstinstanzlichen Verfahren, Kürzung der Verfahrensgebühr im Ausgangsverfahren nach § 15 Abs. 3 RVG
In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR (Verfahren 1) wird im Termin über die anhängigen 10.000,00 EUR sowie weitere nicht anhängige 8.000,00 EUR verhandelt. Eine Einigung scheitert. Es wird dann über die 10.000,00 EUR durch Urteil entschieden. Wegen der 8.000,00 EUR wird nunmehr Klage erhoben (Verfahren 2) und darüber verhandelt.
Im Verfahren 1 entsteht neben der 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV aus 10.000,00 EUR unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG eine 0,8-Verfahrensgebühr aus 8.000,00 EUR (Nrn. 3100, 3101 Nr. 2, 2. Alt. VV). Die Terminsgebühr entsteht dagegen aus dem Gesamtwert von 18.000,00 EUR (siehe hierzu auch § 13 Beispiel 154).
Für das Verfahren 2 entstehen aus dem Wert von 8.000,00 EUR sowohl eine 1,3-Verfahrens- als auch eine 1,2-Terminsgebühr. Hier sind jetzt allerdings die Anrechnungsbestimmungen zu beachten.
I. | Verfahren 1 | ||
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV | 798,20 EUR | |
(Wert: 10.000,00 EUR) | |||
2. | 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 2, 2. Alt. VV | 401,60 EUR | |
(Wert: 8.000,00 EUR) | |||
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als | 1.001,00 EUR | ||
1,3 aus 18.000,00 EUR | |||
3. | 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV | 924,00 EUR | |
(Wert: 18.000,00 EUR) | |||
4. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 1.945,00 EUR | ||
5. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 369,55 EUR | |
Gesamt | 2.314,55 EUR | ||
II. | Berechnung des Anrechnungsbetrags der Verfahrensgebühr (Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV) | ||
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV | 798,20 EUR | ||
(Wert: 10.000,00 EUR) | |||
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 2, 2. Alt. VV | 401,60 EUR | ||
(Wert: 8.000,00 EUR) | |||
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als | 1.001,00 EUR | ||
1,3 aus 18.000,00 EUR | |||
./. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV | – 798,20 EUR | ||
(Wert: 10.000,00 EUR) | |||
Gesamt | 202,80 EUR | ||
III. | Berechnung des Anrechnungsbetrags der Terminsgebühr (Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV) | ||
1,2-Terminsgebühr | 924,00 EUR | ||
(Wert: 18.000,00 EUR) | |||
./. 1,2-Terminsgebühr | – 736,80 EUR | ||
(Wert: 10.000,00 EUR) | |||
Gesamt | 187,20 EUR | ||
IV. | Verfahren 2 | ||
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV | 652,60 EUR | |
(Wert: 8.000,00 EUR) | |||
2. | gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV anzurechnen | – 202,80 EUR | |
3. | 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV | 602,40 EUR | |
(Wert: 8.000,00 EUR) | |||
4. | gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV anzurechnen | – 187,20 EUR | |
5. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 885,00 EUR | ||
6. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 168,15 EUR | |
Gesamt | 1.053,15 EUR | ||
Gesamt I. + IV. | 3.357,70 EUR |
Damit soll erreicht werden, dass der Anwalt im Falle erfolgloser Verhandlungen nicht mehr erhält, als wenn er beide Verfahren gesondert geführt hätte. Dann wäre wie folgt zu rechnen:[1]
I. | Verfahren 1 | ||
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV | 798,20 EUR | |
(Wert: 10.000,00 EUR) | |||
2. | 1,2-Termin... |
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