Rz. 17

Der Zuschlag ist zu erteilen, auch wenn das Meistgebot unter 5/10 des Verkehrswerts liegt, sofern der Meistbietende ein Berechtigter aus dem Grundstück ist und er mit seinem eigenen Anspruch ganz oder teilweise ausfällt, denn dieser Ausfall ist dem Meistgebot hinzuzurechnen, § 85a Abs. 3 ZVG.[14]

 

Rz. 18

Insbesondere bei einer Sicherungsgrundschuld war lange Zeit strittig, welcher Betrag aufseiten des Gläubigers zu berücksichtigen ist: der Nominalbetrag einschließlich der dinglichen Zinsen oder lediglich der der Grundschuld zugrunde liegende gesicherte persönliche Anspruch. Bei dem formal ausgerichteten Zwangsversteigerungsverfahren kann jedoch ausschließlich der Nominalbetrag der Grundschuld berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung des BGH[15] dürfte die Rechtsfrage geklärt sein. Sie stellt sich sowohl bei § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG als auch bei § 85a Abs. 3 ZVG gleich dar und kann daher nur einheitlich beantwortet werden. Es ist auf den Nominalbetrag der Grundschuld abzustellen (Kapital nebst Zinsen und anderen Nebenleistungen).

 

Rz. 19

Bei der Berechnung der 5/10-Grenze werden Zwischenrechte (Rechte, die dem Recht des Meistbietenden vorgehen oder gleichstehen), die erlöschen, nicht berücksichtigt, vgl. § 114a S. 2 ZVG.[16] Ein Zwischenberechtigter kann sich nicht darauf verlassen, dass bei einem Meistgebot unter 50 % des Verkehrswerts der Zuschlag versagt wird. Er könnte den Zuschlag dann verhindern, wenn er im Termin anwesend ist und einen Antrag nach § 74a Abs. 1 ZVG stellt. Ob das Versteigerungsgericht den Zwischenberechtigten hierauf ausdrücklich hinweisen muss, wenn er diese Situation nicht erkennt, dürfte zweifelhaft sein.[17]

 

Rz. 20

Es besteht keine gerichtliche Fürsorgepflicht dahin gehend, vor Erteilung des Zuschlags dem vorrangig betreibenden Gläubiger, der im Versteigerungstermin nicht vertreten ist, einen entsprechenden Hinweis zu geben.[18]

 

Rz. 21

 

Beispiel zur Zuschlagserteilung unter 70 % bzw. 50 %, §§ 74a, 85a ZVG

 
Verkehrswert 1.000.000,00 EUR
7/10 Grenze 700.000,00 EUR
5/10 Grenze 500.000,00 EUR
 
Geringstes Gebot:  
Alle Rechte im Grundbuch erlöschen Bar zu zahlender Teil: 20.000,00 EUR
 
Abt. III/1 400.000,00 EUR Kapital + 100.000,00 EUR Zinsen
Abt. III/2 200.000,00 EUR Kapital + 50.000,00 EUR Zinsen
Abt. III/3 150.000,00 EUR Kapital
 
1. im Termin:  
III/1 bietet: 20.000,00 EUR  
Folge: 20.000,00 EUR + Ausfall 500.000,00 EUR = 520.000,00 EUR

Zuschlag kann erteilt werden

→ Folge für III/2:

III/2 Antrag nach § 74a Abs. 1 ZVG auf Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens von 70 %
 
 
2. im Termin:  
III/2 bietet: 251.000,00 EUR  
Folge: 251.000,00 EUR + Ausfall 250.000,00 EUR = 501.000,00 EUR

Zuschlag kann erteilt werden

→ Folge für III/1:

III/1 Antrag nach § 74a Abs. 1 ZVG auf Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens von 70 %

oder:

eigenes Recht ausbieten, d.h. mitbieten bis zur Höhe des eigenen Rechts
 

Eine besondere Situation ergibt sich dann, wenn das Recht des Bieters tatsächlich nicht mehr in voller Höhe valutiert:

 
3. im Termin:  
III/2 bietet: 251.000,00 EUR  
aber Recht valutiert nur noch mit 100.000,00 EUR  
→ Folge: 251.000,00 EUR + Ausfall 250.000,00 EUR = 501.000,00 EUR
Zuschlag kann erteilt werden  

Aber:

Wer als Berechtigter aus dem Grundstück Meistbietender bleibt und unter Einbeziehung seines Ausfalls den Zuschlag erhält, erlangt den gesetzlichen Bietvorteil ohne rechtlichen Grund, soweit seine ausgefallene Grundschuld nicht (mehr) valutiert. Die Herausgabe des Erlangten steht demjenigen zu, dem bei einem um den rechtsgrundlosen Bietvorteil erhöhten Bargebot der Mehrerlös im Teilungsverfahren und nach Erfüllung schuldrechtlicher Rückgewährpflichten zugefallen wäre.[19] Im vorstehenden Beispiel beträgt der "Bietvorteil" 150.000,00 EUR.

[14] Zur Problematik vgl. Drischler, JurBüro 1982, 1121; Muth, Rpfleger 1985, 45; Muth, ZIP 1986, 350.
[15] BGH vom 27.2.2004, IXa ZB 135/03, Rpfleger 2004, 433 = NJW 2004, 1803 = MDR 2004, 771 = WM 2004, 902 = ZIP 2004, 874.
[16] Dassler/Schiffhauer/Hintzen, ZVG, § 85a Rn 29; Stöber/Becker, ZVG, § 85a Rn 20.
[17] So aber OLG Hamm vom 21.3.1986, 15 W 77/86, Rpfleger 1986, 441 m. abl. Anm. Muth, Rpfleger 1986, 417; LG Krefeld vom 31.8.1987, 6 T 127/87, Rpfleger 1988, 34.
[18] OLG Oldenburg vom 12.1.1988, 2 W 133/87, Rpfleger 1988, 277.
[19] BGH vom 22.9.2011, IX ZR 197/10, Rpfleger 2012, 92 = ZInsO 2011, 2144 = ZfIR 2012, 72.

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