1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls

 

Rz. 72

Für den Bereich der KH-Versicherung zählt § 5 der KfzPflVV abschließend auf, welche Obliegenheiten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls von den Versicherern in ihren AKB vereinbart werden dürfen.

 

Rz. 73

In den AKB enthalten sind folgende Obliegenheiten:

Verstoß gegen die Verwendungsklausel, § 2b Abs. 1a AKB bzw. D.1.1 AKB 2008
Verbot des unberechtigten Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs (Schwarzfahrt) oder dessen Gestattung, § 2b Abs. 1b AKB bzw. D.1.2 AKB 2008
Verstoß gegen die Führerscheinklausel, § 2b Abs. 1c AKB bzw. D.1.3 AKB 2008
(gilt nur für die KH-Versicherung:) Verbot der Verwendung des Kfz zu behördlich nicht genehmigten Fahrveranstaltungen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, und zu entsprechenden Übungsfahrten, § 2b Abs. 1d AKB bzw. D.2.2 AKB 2008
(gilt nur für die KH-Versicherung:) Verbot des Führens eines Kraftfahrzeugs bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit oder Gestattung einer solchen Fahrt, ebenso unter Einfluss anderer berauschender Mittel, § 2b Abs. 1e AKB bzw. D.2.1 AKB 2008.
 

Rz. 74

Es handelt sich bei diesen in den AKB geregelten Obliegenheiten um fünf Fälle speziell geregelter Gefahrerhöhungen (vgl. BGH VersR 1986, 693 für Verwendungs- und Schwarzfahrtklausel), die den §§ 23 ff. VVG vorgehen. Ein Verstoß gegen die Verwendungsklausel kommt z.B. bei der Fahrzeugnutzung als Taxe oder Mietfahrzeug statt einer privaten Nutzung in Betracht. Hintergrund dieser Obliegenheit ist, dass der Verwendungszweck den Prämientarif bestimmt. Entscheidend sind die Angaben zum Verwendungszweck im Versicherungsantrag (vorlegen lassen!). Eine tatsächliche Gefahrerhöhung wird unwiderleglich vermutet, wenn der Versicherer für die anderweitige Verwendung einen höheren Prämientarif vorsieht; der Kausalitätsgegenbeweis ist insoweit ausgeschlossen (BGH VersR 1972, 530).

 

Rz. 75

Ein Verstoß gegen die Schwarzfahrtklausel liegt vor, wenn das Fahren ohne vorherige ausdrückliche oder stillschweigende Erlaubnis des Berechtigten erfolgt. Ein Verstoß gegen die Führerscheinklausel liegt auch bei nur vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis (BGH VersR 1962, 1053) oder Beschlagnahme des Führerscheins (BGH VersR 1982, 84) vor, nicht jedoch bei einem lediglichen Fahrverbot (BGH VersR 1987, 897). Es ist darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf Fahrveranstaltungen entsprechende Risikoausschlüsse bestehen, die auch für behördlich genehmigte Fahrveranstaltungen sowie für die Kaskoversicherung gelten (vgl. § 2 Abs. 3b AKB bzw. A.1.5.2, A.2.16.2, A.3.9.2, A.4.10.3 AKB 2008). Bei der Fahruntüchtigkeitsklausel gelten die Voraussetzungen der absoluten/relativen Fahruntüchtigkeit wie im Strafrecht.

 

Hinweis

Die Beschränkung der Fahruntüchtigkeitsklausel auf die KH-Versicherung bedeutet nicht, dass die Fahruntüchtigkeit im Bereich der Kaskoversicherung bedeutungslos wäre. Dort wird sie jedoch über § 81 Abs. 2 VVG als grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls erfasst.

2. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls

a) Beispiele wichtiger Obliegenheiten

 

Rz. 76

Als wichtige Obliegenheiten nach dem Eintritt des Versicherungsfalls sind zu nennen:

Anzeigeobliegenheiten, § 7 I Abs. 2, II Abs. 2, Abs. 3 AKB bzw. E.1.1, E.1.2, E.2.1, E.2.3 AKB 2008
Aufklärungsobliegenheit, § 7 I Abs. 2 S. 3 AKB bzw. E.1.3 AKB 2008
Schadenminderungspflicht, § 7 I Abs. 2 S. 3 AKB bzw. E.1.4 AKB 2008
Versicherer ist Prozessführung zu überlassen, § 7 II Abs. 5 bzw. E.2.4 AKB 2008
Kaskoversicherung: "Wiederinstandsetzungsverbot" (Weisungen des Versicherers sind einzuholen), § 7 III AKB bzw. E.3.2 AKB 2008.
 

Rz. 77

Das in § 7 II Abs. 1 der bisherigen AKB enthaltene Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot, welches allerdings nur für konstitutive und deklaratorische Anerkenntnisse, nicht jedoch für Erklärungen mit lediglicher Beweislastfunktion galt (BGH VersR 1984, 383), ist durch den neuen § 105 VVG im Rahmen der VVG-Reform 2008 ersatzlos weggefallen.

 

Rz. 78

 

Hinweis

Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Beratungspflichtverletzung vorliegt, wenn der Rechtsanwalt ohne Belehrung des Mandanten über die Prozessführungsbefugnis des Haftpflichtversicherers einfach das Passivmandat des Versicherten annimmt (BGH VersR 1985, 83). Dies kommt in der Praxis leider immer wieder vor und ist auch deshalb besonders problematisch, weil selbst im Obsiegensfall die Kosten der Vertretung des Versicherten durch einen eigenen Anwalt nicht als notwendige Prozesskosten anerkannt werden (BGH VersR 2004, 622; OLG Brandenburg VersR 2010, 274; OLG Köln zfs 1984, 107; OLG München zfs 1984, 13).

Auch das in der Kaskoversicherung geltende Wiederinstandsetzungsverbot bzw. die Pflicht, zuvor entsprechende Weisungen des Versicherers einzuholen (welche auch für die Restwertveräußerung gilt), wird in der Praxis immer wieder übersehen.

b) Aufklärungsobliegenheit

 

Rz. 79

Die in der Praxis entscheidende Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls ist die Aufklärungsobliegenheit gem. § 7 I Abs. 2 AKB bzw. E.1.3 AKB 2008.

aa) Wichtige Fallgruppen

 

Rz. 80

Ein Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit kommt insbesondere bei folgenden Fallgruppen in Betracht:

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