Rz. 202

Das Fehlverhalten Dritter kann dem Versicherungsnehmer nur unter engen Voraussetzungen zugerechnet werden.

I. Eigenhändigkeit

 

Rz. 203

Da die Vertragspflichten nur den Versicherungsnehmer als Vertragspartner treffen, muss er die Obliegenheitsverletzung oder die grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles grundsätzlich selbst begangen haben.

II. Regelung der Zurechnung des Verhaltens Dritter in den AKB

 

Rz. 204

Eine Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer wirkt in der Kasko- und Unfallversicherung gem. § 3 Abs. 3 S. 1 AKB bzw. F.3 S. 1 AKB 2008 grundsätzlich auch gegenüber Mitversicherten. Eine Mitversicherung kommt in der Kaskoversicherung allerdings nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer nicht Eigentümer ist. In diesem Fall liegt eine Fremdversicherung vor, sodass der wahre Eigentümer Versicherter ist.

 

Rz. 205

Anders ist die Regelung in der KH-Versicherung bei einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers gem. § 3 Abs. 3 S. 2 AKB bzw. F.3 S. 2 AKB 2008. In diesem Fall tritt Leistungsfreiheit gegenüber einem Mitversicherten nur dann ein, "wenn die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände in der Person des Mitversicherten vorliegen oder wenn diese Umstände der mitversicherten Person bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren".

 

Rz. 206

Eine Zurechnung des Fahrerverhaltens in der Kraftfahrtversicherung zulasten des Versicherungsnehmers erfolgt

generell nicht bei der KH-Versicherung, da das Verhalten des Fahrers gem. § 10 Abs. 2c AKB bzw. A.1.2 c AKB 2008 ausdrücklich in den Versicherungsschutz (des Versicherungsnehmers) eingeschlossen ist (das gilt selbst im Falle des Vorsatzes des Fahrers, solange der Versicherungsnehmer hiervon keine Kenntnis hat),
in der Kaskoversicherung nur dann, wenn der Fahrer Repräsentant ist.

III. Repräsentantenbegriff

 

Rz. 207

Fehlverhalten Dritter wird dem Versicherungsnehmer dann zugerechnet, wenn dieser Dritte Repräsentant ist. Der Repräsentantenhaftung liegt folgender Gedanke zugrunde: Überträgt der Versicherungsnehmer als Vertragspartner des Versicherungsvertrages jemand anderem die Vertragspflichten in einem solchen Umfange, dass dieser quasi "an die Stelle des Versicherungsnehmers" tritt, den Versicherungsnehmer also gegenüber dem Versicherer repräsentiert, dann soll der Versicherungsnehmer auch für das Verhalten dieses Repräsentanten haften.

 

Rz. 208

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist.

 

Rz. 209

Die bloße Überlassung der Obhut über das versicherte Risiko reicht hierbei nicht aus (BGH VersR 1993, 828). Der Repräsentant muss vielmehr selbstständig und in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang berechtigt sein, für den Versicherungsnehmer zu handeln (Übernahme der Risikoverwaltung in einem solchem Umfange, dass dieser quasi "an die Stelle des Versicherungsnehmers" tritt). Bei Übernahme der Risikoverwaltung im vorgenannten Sinne braucht aber nicht noch zusätzlich die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag (Vertragsverwaltung) durch den Dritten hinzutreten (BGH zfs 1996, 418). Bezogen auf die im Bereich der Kraftfahrtversicherung entscheidende Frage, wann ein vom Versicherungsnehmer abweichender Fahrer Repräsentant ist, gilt:

Der berechtigte Fahrer eines Kfz ist in der Regel – selbst bei längerfristiger Überlassung des Kfz – nicht Repräsentant des Versicherungsnehmers (OLG Oldenburg r+s 1995, 331).
Er ist nur dann Repräsentant, wenn der Fahrer neben der eigenverantwortlichen Nutzung auch für die Unterhaltung und Verkehrssicherheit des Kfz zu sorgen hat (BGH VersR 1996, 1229).
 

Rz. 210

Aus diesen strengen Anforderungen ergeben sich folgende Beispiele:

 

Beispiel für Repräsentanteneigenschaft

Der Sohn nutzt allein den haftpflicht- und vollkaskoversicherten Pkw des Vaters, welcher Versicherungsnehmer ist. Auch im Übrigen hat der Vater nichts mit dem Fahrzeug zu tun. Der Sohn verursacht alkoholisiert einen Unfall.

 

Beispiel für fehlende Repräsentanteneigenschaft

Die Ehefrau nutzt allein den haftpflicht- und vollkaskoversicherten Pkw des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer kümmert sich jedoch um die erforderlichen Inspektionen, TÜV-Abnahmen, Reparaturen etc. Die Ehefrau verursacht alkoholisiert einen Unfall.

 

Rz. 211

Im ersten Beispiel würde eine Zurechnung des Verhaltens des Sohnes zulasten des Vaters erfolgen, da der Sohn sich allein auch um die Unterhaltung sowie Erhaltung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs kümmert. Daher wäre der Versicherer hinsichtlich der Vollkaskoversicherung bei Annahme grober Fahrlässigkeit des Sohnes aufgrund der Zurechnung zulasten des Versicherungsnehmers gem. § 81 Abs. 2 VVG zur Leistungskürzung berechtigt.

 

Rz. 212

Im zweiten Beispiel erfolgt keine Zurechnung des Verhaltens der Ehefrau zulasten des Versicherungsnehmers, weil er die Risikoverwaltung nicht vollständig seiner Ehefrau überlassen hat, sondern sich noch um die Erhaltung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs kümmert. Dementsprechend wäre...

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