Rz. 175

 

Ausgangsfall

Erblasser E verstarb am 15.6.2023. Erben sind sein Ehepartner EP zu ½ und seine beiden Kinder K1 und K2 je zu ¼. Der Nachlass setzte sich wie folgt zusammen:

a) Immobilie im Wert von 100.000 EUR
b) Bankverbindlichkeiten i.H.v. 60.000 EUR
c) bestrittene Darlehensverbindlichkeiten i.H.v. 70.000 EUR bei der Tante T.

Im landgerichtlichen Verfahren T gegen EP und K1 und K2 wurden EP, K1 und K2 zur Zahlung verurteilt, wobei sie beantragen, dass auf den Nachlass beschränkt wurde. T leitet Vollstreckungsmaßnahmen ein, und zwar in das Nachlassvermögen und in das Eigenvermögen der Erben.

 

Rz. 176

Grundsätzlich kann der zu einer Leistung verurteilte Erbe in der Zwangsvollstreckung die Einreden des § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB nur geltend machen, wenn ihm die Beschränkung seiner Haftung im Urteil vorbehalten wurde (§ 780 Abs. 1 ZPO). § 780 ZPO regelt lediglich die Frage, ob in der Zwangsvollstreckung die Haftungsbeschränkung geltend gemacht wird und nicht die Art und Weise, also das Verfahren der Geltendmachung. Letzteres ist in den §§ 781, 785 ZPO geregelt. Nach § 781 ZPO bleibt die Beschränkung der Haftung bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben unberücksichtigt, bis aufgrund derselben gegen die Zwangsvollstreckung vom Erben Einwendungen erhoben werden. Kann der Erbe die Haftungsbeschränkung geltend machen (§ 780 Abs. 1 ZPO) und macht er sie geltend (§ 781 ZPO), dann werden die Vollstreckungsmaßnahmen nach den Vorschriften der §§ 767, 769, 770 ZPO gestoppt.

 

Rz. 177

 

Lösung

EP, K1 und K2 müssen einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellen, damit die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage geschaffen werden, um die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Eigenvermögen zu verhindern bzw. zu stoppen.

 

Fallvariante

Nach der Verwertung der Immobilie konnte die Forderung von T i.H.v. 35.000 EUR befriedigt werden. T betreibt nun die Zwangsvollstreckung i.H.v. 35.000 EUR in das Eigenvermögen der Erben.

 

Rz. 178

Die erste Alternative des § 1989 BGB setzt voraus, dass die Insolvenzmasse verteilt und das Nachlassinsolvenzverfahren aufgehoben ist. In diesem Fall bedeutet die entsprechende Anwendung des § 1973 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der Erbe die Befriedigung der (im Nachlassinsolvenzverfahren) noch nicht (vollständig) befriedigten Nachlassgläubiger verweigern kann, soweit der Nachlass durch das Nachlassinsolvenzverfahren (einschließlich einer eventuell erfolgten Nachtragsverteilung) erschöpft wird (sog. Erschöpfungseinrede).

 

Rz. 179

Die zweite Alternative des § 1989 BGB setzt voraus, dass ein wirksamer Insolvenzplan zustande gekommen und das Nachlassinsolvenzverfahren aufgehoben ist. In diesem Fall kann der Erbe die Befriedigung der von § 1989 BGB betroffenen Nachlassgläubiger verweigern, soweit der Nachlass durch die Befriedigung der nicht durch § 1989 BGB betroffenen Nachlassgläubiger erschöpft wird.[89] Hat der Erbe die Erfüllung des Insolvenzplans (auch) mit dem Eigenvermögen übernommen, sind diejenigen Nachlassgläubiger, für und gegen die der Insolvenzplan Wirkung entfaltet, durch § 1989 BGB nicht betroffen, da der Erbe insoweit (durch den Insolvenzverwalter) auf die Einrede aus dieser Bestimmung verzichtet hat. Der Erbe kann in diesem Fall diejenigen Nachlassmittel, die zur Befriedigung der aus dem Insolvenzplan begünstigen Nachlassgläubiger notwendig sind und aufgebraucht werden, in entsprechender Anwendung des § 1973 Abs. 2 S. 1 und 3 BGB von dem Nachlassüberschuss, mit dem er den übrigen durch § 1989 BGB betroffenen Nachlassgläubigern noch haftet, abziehen.[90] Die durch § 1989 BGB betroffenen Gläubiger hat der Erbe vor Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Erbersatzansprüchen, Vermächtnissen und Auflagen zu befriedigen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Nachlassgläubiger seine Forderungen erst nach der Berichtigung der nämlichen Verbindlichkeiten erhoben und geltend gemacht hat.[91]

 

Rz. 180

Die Herausgabe des Überschusses geschieht nach § 1973 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich in der Weise, dass der Erbe die Zwangsvollstreckung in den Nachlass(-rest) duldet oder ihn an Zahlungs und Erfüllungs statt freiwillig dem damit einverstandenen Nachlassgläubiger herausgibt. Der Erbe kann auch hier die Herausgabe der eventuell noch vorhandenen Nachlassgegenstände durch Zahlung ihres Wertes abwenden (§ 1973 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Berechnung des Überschusses folgt auch hier den Regeln des Bereicherungsrechts.[92]

 

Rz. 181

Zu beachten ist, dass ein Nachlassgläubiger im Fall des § 1989 BGB nicht die Zwangsversteigerung eines Grundstücks beantragen kann (§ 175 Abs. 2 ZVG).

[89] Staudinger/Dobler, § 1989 Rn 22; Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch/Ott-Eulberg, Erbrecht und Banken, § 25 Rn 163.
[90] MüKo-InsO/Küpper, § 1989, Rn 8; Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch/Ott-Eulberg, Erbrecht und Banken, § 25 Rn 163.
[91] Staudinger/Dobler, § 1989 Rn 23.
[92] Staudinger/Dobler, § 1989 Rn 25; MüKo-BGB/Küpper, § 1990 Rn 8.

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