Rz. 25

Der Kenntnis der Überschuldung steht die fahrlässige Unkenntnis gleich, § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB. Fahrlässigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Erbe das Aufgebotsverfahren der Nachlassgläubiger nicht beantragt, obwohl es sich ihm aufdrängte, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten anzunehmen. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn sich in den Nachlassunterlagen zahlreiche Mahnungen befinden, Lastschriften mangels Rechnung zurückgegangen sind und nach dem Erbfall Rechnungen, Mahnungen u.a. eingehen. Das Aufgebotsverfahren ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Kosten des Verfahrens gegenüber dem Nachlassbestand unverhältnismäßig hoch sind, § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB.

 

Rz. 26

Die Kosten des Aufgebotsverfahrens steigen um die Zustellkosten bei den jeweils angegebenen potenziellen Gläubigern. Wenn Nachlässe einen Wert von etwa 10.000 EUR übersteigen und nicht mehr als 50 bekannte Gläubiger vorliegen, sind die Kosten des Aufgebotsverfahrens vertretbar. Es soll sichergestellt sein, dass der vorhandene Nachlass bei Beschränkung der Haftung auf den Nachlass den Nachlassgläubigern vollständig zur Verfügung steht; sie soll zudem die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger bei Dürftigkeit des Nachlasses ermöglichen.

 

Rz. 27

Der Erbe kann sich gegenüber den unbefriedigten Nachlassgläubigern schadenersatzpflichtig machen, wenn er entgegen seiner Verpflichtung nicht unverzüglich den Antrag stellt, § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Vorschrift des § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB ist analog auf den Nachlassverwalter, nicht jedoch auf den Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker anwendbar. Der Erbe bleibt also auch bei bestehender Nachlasspflegschaft oder Testamentsvollstreckung antragspflichtig. Die Vertretung der Antragspflicht der Erben ist jedoch eher theoretischer Natur, da bei angeordneter Nachlasspflegschaft bzw. Testamentsvollstreckung der Erbe nur in den seltensten Fällen einen Überblick über die Vermögenssituation hat.

 

Rz. 28

Der Umfang des Schadens richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB,[9] bemisst sich also nach der Differenz zwischen demjenigen Betrag, den der Gläubiger tatsächlich erhalten hat, und dem, was er erhalten hätte, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre.[10] Der Anspruch richtet sich gegen den Erben oder Miterben als Gesamtschuldner, §§ 823 Abs. 2, 1980 Abs. 1 BGB und §§ 421 ff., 840 Abs. 1 BGB. Im Nachlassinsolvenzverfahren gehört der Schadenersatzanspruch gegenüber den Erben zur Masse, vgl. § 328 Abs. 2 InsO, und wird vom Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht.[11]

[9] BGH NJW 1985, 140 = FamRZ 1984, 1004.
[10] Staudinger/Dobler, § 1980 Rn 16; OLG Köln NZI 2012, 1030.
[11] Grüneberg/Weidlich, § 1980 Rn 7.

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