Rz. 382

Der Vorerbe hat dem Nacherben auf Verlangen ein Verzeichnis der Nachlassgegenstände zu übermitteln (§ 2121 BGB). Es gehört zur Aufgabe des gesetzlichen Vertreters, alsbald nach dem Erbfall ein solches Verzeichnis vom Vorerben zu verlangen.

Vertreten Eltern den Minderjährigen, so werden sie das Verzeichnis von selbst erstellen, von sich selbst also das Verzeichnis "verlangen", jedenfalls dann, wenn die Wertgrenze von 15.000 EUR überschritten ist. Denn dann haben sie gemäß § 1640 BGB dem Familiengericht das Verzeichnis nach dem Anfall der Erbschaft zu übermitteln (siehe Rdn 167). Vertritt ein Vormund den Minderjährigen, so wird er alsbald vom Vorerben ein Verzeichnis der Nachlassgegenstände verlangen und es gemäß § 1802 BGB dem Familiengericht übermitteln; die Wertgrenze von 15.000 EUR gilt hier nicht.

 

Rz. 383

Ist ein Elternteil Vorerbe und sein minderjähriges Kind Nacherbe, so müssen beide Eltern als gesetzliche Vertreter von dem Elternteil, der Vorerbe ist, das Nachlassverzeichnis "verlangen" (§ 2121 BGB). Wäre das "Verlangen" ein Rechtsgeschäft, so stünde dem im Grundsatz § 181 BGB, das Verbot des In-Sich-Geschäfts, entgegen. Die Situation ist ebenso gelagert wie bei einem Elternteil, der zugleich gesetzlicher Vertreter seines Kindes und Testamentsvollstrecker über dessen Erbschaft ist. Auch dieser muss bei Beginn des Amtes – sogar unaufgefordert – gemäß § 2215 BGB ein Nachlassverzeichnis dem Erben mitteilen (vgl. Rdn 266 ff.). Er muss ferner auf Verlangen des Erben gemäß § 2218 Abs. 2 BGB jährlich Rechnung legen (vgl. Rdn 270 ff.) und am Ende der Verwaltung auf Verlangen des Erben gemäß §§ 2218 Abs. 1, 666, 259 BGB Rechenschaft ablegen (vgl. Rdn 297 ff.).

 

Rz. 384

Bei einem Elternteil als Testamentsvollstrecker über die Erbschaft des Kindes wird die Einsetzung eines Ergänzungspflegers zwecks Aufstellung und Übermittlung des Verzeichnisses über den Bestand der Vorerbschaft diskutiert, das unaufgefordert zu übermitteln ist. Bei der Vorerbschaft eines Elternteils und der Nacherbschaft des Kindes sind die rechtlichen Bedingungen fast gleich gelagert.

Das Vermögensverzeichnis ist gemäß § 2121 BGB nur "auf Verlangen" dem Nacherben mitzuteilen, es besteht also keine Pflicht des Vorerben, dies von selbst zu tun. Nun kann zwar kein Elternteil sich selbst gegenüber ein solches Verlangen äußern, wohl aber könnte dies der mit-vertretende andere Elternteil tun.[6] Das Verlangen ist als geschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren,[7] auf die die Regeln über Rechtsgeschäfte Anwendung finden. Bei dem Verlangen beider Elternteile gegenüber dem Elternteil, der Vorerbe ist, würde es sich um ein In-Sich-Geschäft handeln, das dem § 181 BGB unterfällt. Da der Minderjährige also insoweit ohne gesetzlichen Vertreter ist, muss ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB bestellt werden.

 

Rz. 385

Ob ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjährige selbst solches Verlangen gegenüber seinem Elternteil, der Vorerbe ist, geltend machen kann, ist zweifelhaft. Zwar findet § 111 BGB keine Anwendung, wenn die Vornahme der geschäftsähnlichen Handlung dem Minderjährigen nur einen rechtlichen Vorteil bringt (siehe Rdn 388). Die Ausübung von Gestaltungsrechten als solche ist zwar nicht deshalb rechtlich nachteilig, weil dann das Gestaltungsrecht selbst erlischt – es kommt hier aber auf die unmittelbar ausgelösten Folgen an.[8] Diese sprechen hier nicht gegen die Annahme eines rechtlichen Vorteils, werden daher als rechtlich neutral gewertet.

Auch nach der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. Rdn 267) ist es im Normalfall nicht vonnöten, einen Pfleger wegen der Erstellung des Verzeichnisses zu bestellen. Es genügt, wenn ein Elternteil das Verzeichnis erstellt, das vom anderen Elternteil als (weiterem) gesetzlichen Vertreter mitunterzeichnet und gem. § 1640 BGB dem Familiengericht eingereicht wird (siehe Rdn 382).

Geschieht dies nicht, so muss das Familiengericht in Wahrnehmung der Interessen des Kindes einen Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB bestellen. Da § 181 BGB nicht nur den betroffenen Elternteil, sondern beide Eltern von der Vertretung ausschließt,[9] wenn ein Elternteil Vorerbe, das gemeinsame Kind aber Nacherbe ist, ist der Pfleger zu bestellen.

 

Beispiel

Das Kind ist Nacherbe nach dem Großvater; dessen Tochter, die Mutter des Kindes, ist Vorerbe. Der Ehemann der Tochter, der Vater des Kindes, lebt von der Mutter getrennt. Die Vorerbin kommt der Bitte des Vaters, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, nicht nach. Es erscheint dem Vater dringlich, gegen die Mutter vorzugehen, da das Familiengericht trotz Kenntnis des Nachlasses von weit über 100.000 EUR untätig bleibt und kein Verzeichnis des Kindesvermögens (§ 1640 BGB) anfordert. Auf Anregung des Vaters ist ein Ergänzungspfleger im Hinblick auf § 181 BGB zu bestellen, der – von den ehelichen Problemen unbelastet – ein Verzeichnis erstellt.

Man kann auch sagen, dass durch die Untätigkeit der Mutter ein erheblicher Interessengegensatz zwischen ihr und dem Kind entstanden ist, so dass hier auch der E...

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