1. Grundsatz

 

Rz. 19

Es handelt sich um Rahmengebühren. Der Verteidiger muss deshalb im Einzelfall die Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltschaftlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sowie des besonderen Haftungsrisikos nach billigem Ermessen bestimmen (§ 14 RVG).

Abgesehen davon, dass jetzt das besondere Haftungsrisiko als zusätzliches Kriterium hinzukommt, ergibt sich kein Unterschied zum früheren § 12 BRAGO, so dass insoweit ergänzend auch auf die frühere Rechtsprechung verwiesen werden kann.

2. Strafsachen

 

Rz. 20

Verkehrsstrafsachen sind grundsätzlich mindestens durchschnittliche Angelegenheiten (LG Zweibrücken AGS 2002, 112; AG Bensheim NZV 2008, 108; KG AGS-Kompakt 2011, 140), so dass z.B. für die Verteidigung einer Unfallflucht ebenso (wenigstens) die Mittelgebühr geschuldet ist (AG Düsseldorf zfs 2003, 513) wie bei der bloßen Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl (AG Köln zfs 2002, 147), einem Strafbefehlsverfahren mit nur kurzer Hauptverhandlungsdauer (LG Kempten zfs 1993, 278) oder wenn der Verteidiger auf andere Akten zurückgreifen muss (LG Potsdam NZV 2015, 565).

Zwar ist der 25 %ige Zuschlag des § 88 S. 3 BRAGO für Führerscheinsachen weggefallen, die entsprechende Tätigkeit des Anwaltes ist jetzt jedoch innerhalb des Rahmens des § 14 RVG angemessen zu berücksichtigen, so dass in Führerscheinsachen das Überschreiten der Mittelgebühr in der Regel gerechtfertigt ist, so z.B. wenn die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nur gegen positive MPU erreicht werden kann (LG Darmstadt zfs 1997, 388) oder einem Berufskraftfahrer eine Verurteilung wegen Unfallflucht droht (AG Rheinbach zfs 2002, 492), wie generell drohende berufliche Nachteile (AG Homburg zfs 1997, 388) oder erhebliche zivilrechtliche Folgen ein Überschreiten der Mittelgebühr rechtfertigen können.[2]

 

Rz. 21

Überschreiten gar einzelne Kriterien den Durchschnitt aller gewöhnlich vorkommenden Fälle beträchtlich oder gehört die Rechtssache zu den bedeutendsten der in den jeweiligen Rahmen angesprochenen Verfahren, kann sogar die Höchstgebühr angemessen sein (OLG Saarbrücken Jur. Büro 1999, 524), das gilt namentlich beim Vorwurf der fahrlässigen Tötung (LG Saarbrücken AnwBl 1990, 224; LG Nürnberg-Fürth NZV 2008, 163).

[2] Madert, Anm. zu AG Homburg/Saar zfs 1997, 149.

3. Bußgeldsachen

 

Rz. 22

Bußgeldsachen haben jetzt zwar einen eigenen Gebührenrahmen, das hindert Rechtsschutzversicherer jedoch nicht daran, den Streit um die Gebührenhöhe mit gleichen Argumenten wie zu BRAGO-Zeiten fortzuführen. Zwar ist ihnen wegen des jetzt eigenständigen Gebührenrahmens die Behauptung, Ordnungswidrigkeiten seien im Vergleich zu Verkehrsstrafsachen von untergeordneter Bedeutung abgeschnitten, sie vertreten jedoch nach wie vor unter Berufung auf den wesentlich höheren Bußgeldrahmen der sonstigen Ordnungswidrigkeiten die Auffassung, Verkehrsordnungswidrigkeiten seien unterdurchschnittliche Angelegenheiten (z.B. LG Stralsund JurBüro 2000, 201), werden dabei heute aber nur von vereinzelt gebliebenen und die Gesetzesänderung nicht genügend beachtenden Entscheidungen unterstützt (z.B. LG Dortmund RVGreport 2006, 465).

 

Rz. 23

Demgegenüber hat bereits früher die herrschende Meinung Verkehrsordnungswidrigkeiten im Hinblick auf ihren zahlenmäßig weit überwiegenden Anteil an der Gesamtzahl aller Ordnungswidrigkeiten als im Grundsatz durchschnittliche Angelegenheit angesehen und die Mittelgebühr zugebilligt. Nach Einführung des RVG hat diese Auffassung sowohl in der Rechtsprechung (AG Rotenburg AGS 2006, 288; LG Stendal zfs 2006, 407; KG AGS 2006, 73; AG München DAR 2007, 116; LG Kiel zfs 2007, 106; AG Leipzig AGS 2007, 355; AG Darmstadt RVG Report 2007, 220; AG München DV 2008, 31; AG Stuttgart DV 2008, 33; AG Stadtroda RVG prof. 2010, 163; LG Saarbrücken RVG Report 2013, 53; zfs 2014, 586; AG Saarlouis zfs 2013, 710; AG München DAR 2013, 733; LG Halle RVG Report 2016, 132; LG Chemnitz RVG Report 2016, 297; AG Arnstadt, Beschl. v. 29.4.2007 - OWi 623/17, juris; LG Frankfurt, Beschl. v. 25.5.2018 - 5/31/Qs 11/18; AG Plauen DAR 2018, 417) als auch in der Literatur[3] an Zustimmung noch gewonnen, zumal jetzt das RVG für Bußgeldsachen nicht nur einen von Strafsachen getrennten eigenständigen, sondern auch jeweils nach der Bußgeldhöhe differenzierende Gebührenrahmen eingeführt hat.

Jedenfalls sticht das von der Gegenmeinung vorgebrachte Hauptargument, Verkehrsordnungswidrigkeiten seien bereits im Hinblick auf die beschränkte Bußgeldhöhe unterdurchschnittlich, deshalb nicht, weil die Bußgeldhöhe gemäß VV Vorb. 5.1 Abs. 2 ausschließlich als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Vergütungsrahmens dient (AG Frankenthal AGS 2005, 292; zfs 2006, 167; AG Saarbrücken zfs 2006, 108; AG Karlsruhe MittBl 2006, 35; AG Viechtach AGS 2006, 289) und deshalb bei der Bemessung der Gebührenhöhe keine Rolle mehr spielt.

 

Rz. 24

Im Übrigen sagt die Höhe der Geldbuße bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ohnehin nic...

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