Rz. 199

Bei der Ermittlung des Arbeitszeitaufwandes des Verletzten vor dem Unfall geht es um die Ermittlung, welche Arbeitsleistung der verletzte Haushaltsführende vor dem Unfall wöchentlich tatsächlich erbracht hat und welchen Zeitaufwand er dafür wöchentlich tatsächlich benötigt hat. Der Aufwand für die gesamte Haushaltsführung wird bestimmt durch die Anzahl der Familienmitglieder, das Alter der Kinder, die Größe und Ausstattung der Wohnung und den allgemeinen Lebenszuschnitt. Die Rechtsprechung geht zum Teil von den statistisch ermittelten Durchschnittswerten aus, die in Tabelle 8 von Schulz-Borck/Hofmann niedergelegt sind[426] Diese Tabelle gibt den statistisch ermittelten durchschnittlichen tatsächlichen Arbeitszeitaufwand im Haushalt bei insgesamt 17 verschiedenen Haushaltstypen und die jeweilige Aufteilung der Arbeit auf die Haushaltsangehörigen wieder. Danach fallen z.B. in einem Vier-Personen-Haushalt mit nicht berufstätiger Hausfrau und zwei Kindern von sechs bis 18 Jahren durchschnittlich 74,4 Wochenstunden an, von denen im Mittel die Ehefrau 48,2, die Kinder 8,1 und der allein berufstätige Ehemann 18,1 Stunden (= 24,3 %) übernehmen.

 

Rz. 200

Die Anwendung der Tabelle 8 wird häufig abgelehnt, weil sie auf Befragungen beruhe und nur subjektive Einschätzungen wiedergebe und weil es nicht auf die tatsächlich aufgewendete Zeit ankomme, sondern auf die Zeit, die eine professionelle Hilfskraft aufwenden müsse; richtig sei die Anwendung der Tabelle 1.[427] Die beiden Tabellen sind in der Tat nach unterschiedlichen Kriterien aufgestellt: Tabelle 1 enthält eine Bedarfsermittlung, Tabelle 8 eine Aufwandsermittlung. Bei Tabelle 1 ist der Haushaltszuschnitt berücksichtigt, bei Tabelle 8 nicht. Dagegen wird bei Tabelle 8 berücksichtigt, ob ein Partner oder beide berufstätig sind, bei Tabelle 1 nicht. Tabelle 8 enthält schließlich allein Aussagen darüber, wie die Hausarbeit üblicherweise innerhalb der Familie aufgeteilt ist.

 

Rz. 201

Der Bundesgerichtshof beanstandet die Anwendung der Tabelle 8 im Rahmen der erforderlichen Schadensschätzung nicht.[428] Er hat nicht den Meinungsstreit entschieden, ob Tabelle 1 oder Tabelle 8 in Verletztenfällen anzuwenden ist.[429] Er würde auch akzeptieren, wenn der Tatrichter im Rahmen seines Schätzungsermessens von den Werten der Tabelle 1 ausgeht. Die Schätzung muss nur in sich stimmig sein und den Besonderheiten des Einzelfalls einigermaßen gerecht werden. Geht man bei der Schätzung des Haushaltsführungsschadens nach Schulz-Borck/Hofmann vor, sollte in der Praxis möglichst auf einen dogmatischen Streit über die Anwendbarkeit der beiden Tabellen verzichtet werden. Bei der Schadensschätzung sollte vielmehr auf Mischformen zwischen den Tabellen 1 und 8 zurückgegriffen werden.[430] Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Werte der Tabelle 1 eventuell durch erhebliche Zuschläge nach Tabelle 2 zu erhöhen sind, z.B. wegen vorhandener Kleinkinder oder wegen eines Gartens. Im Ergebnis besteht jedenfalls dann, wenn Kleinkinder vorhanden sind oder wenn beide Eheleute berufstätig sind, oft kein großer Unterschied zwischen den Werten der Tabellen 1 und 8.

[427] Vgl. etwa OLG Celle, Urt. v. 17.1.2007 – 14 U 101/06, Schaden-Praxis 2008, 7; v. 6.10.2010 – 14 U 55/10, juris; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 8 Rn 99 ff.; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. 2016, Rn 193 Fn 486.
[428] BGHZ 104, 113; BGH, Urt. v. 24.4.1990 – VI ZR 183/89, VersR 1990, 907; BGH, Urt. v. 2.12.1997 – VI ZR 142/96, VersR 1998, 333; Urt. v. 3.2.2009 – VI ZR 183/08 – VersR 2009, 515 zu Tabelle 9, die auf Tabelle 8 aufbaut.
[429] Entgegen Schah-Sedi/Schah-Sedi, zfs 2009, 610; vgl. näher Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 8 Rn 99 ff.; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. 2016, Rn 180 ff.; Lang, jurisPR-VerkR 1/2011 Anm. 2.
[430] So etwa KG, Urt. v. 21.10.2004 – 12 U 22/04, KGR Berlin 2005, 123 = juris Rn 56 f.; dafür auch Lang, jurisPR-VerkR 2/2009 Anm. 2; jurisPR-VerkR 7/2009 Anm. 1; jurisPR-VerkR 1/2011 Anm. 2.

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