1. Gesetzliche Regelung

 

Rz. 29

Die Verfahrenswerte für die Gerichtskosten ergeben sich aus den §§ 33 ff., 43 ff. FamGKG. Die besonderen Vorschriften für die Rechtsmittel finden sich in den §§ 40, 39 Abs. 2 FamGKG. Für die Anwaltsgebühren verweist § 23 Abs. 1 S. 1 RVG auf diese Bestimmungen. Die §§ 40, 39 Abs. 2 FamGKG gelten für die Zivilprozessverfahren genauso wie für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Bestimmungen gelten für alle Rechtsmittelverfahren, also die Verfahren gem. §§ 58 ff. und 70 ff. FamFG und ebenso für die Sprungrechtsbeschwerde (§ 75 FamFG) und selbstverständlich für die Anschlussrechtsmittel (§§ 66, 73 FamFG).

Der Bewertungszeitpunkt ergibt sich aus § 34 S. 1 FamGKG.

 

Rz. 30

Streitig ist, ob § 40 FamGKG auch für Erinnerungen, Gegenvorstellungen und für die Gehörsrüge gilt. Dies wird teilweise bejaht,[34] wohl mit Recht aber abgelehnt,[35] weil diese Verfahren keine Rechtsmittelverfahren sind, für Erinnerungen und Gegenvorstellungen ohnehin keine Gerichtskosten anfallen, die Anwaltsgebühren also nach § 33 i.V.m. § 23 Abs. 2 RVG bestimmt werden, und die erfolglose Gehörsrüge eine Festgebühr hat (Nr. 1800 GKG KV), so dass ebenfalls § 33 i.V.m. § 23 Abs. 2 RVG gelten.

[34] Hartmann, KostG, § 47 GKG Rn 2, § 40 FamGKG Rn 1.
[35] HK-FamGKG/N. Schneider, § 40 Rn 5; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3500 Rn 5 für die Gehörsrüge.

2. Zur Unterscheidung: Antrag und Beschwer

 

Rz. 31

In der Ehesache und in den Familienstreitsachen ist ein Antrag erforderlich (§ 117 Abs. 1 S. 1 FamFG). Dieser Antrag bestimmt den Rechtsmittelwert; wird kein Antrag fristgerecht gestellt, gilt der Wert der Beschwer gem. § 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG. Die Beschwer ist der Unterschied zwischen dem, was der Antragsteller I. Instanz verfolgte, und dem, was ihm das Erstgericht zugesprochen hat.

 

Rz. 32

Wenn es sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, sind Anträge nicht vorgeschrieben (§§ 58 ff. FamFG). Wenn ein Antrag gestellt wird, gilt § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG (Antrag), anderenfalls ist die Beschwer maßgebend, es sei denn, dass sich aus der Begründung ein anderer Umfang des Rechtsmittels ergibt.

 

Rz. 33

Zur Bewertung der Beschwer: Es handelt sich um den Rechtsmittelwert (nicht um den Kostenwert!), der für die Ehesachen und die Zivilprozesssachen in §§ 3 ff. ZPO steht (i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG). Für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit fehlt eine Regelung im FamFG. Auf die ZPO ist nicht verwiesen. Es wird wohl zurecht vorgeschlagen, dass die §§ 3 ff. ZPO analog angewandt werden.[36]

[36] HK-FamGKG/N. Schneider, § 40 Rn 30.

3. § 40 Abs. 2 S. 1 FamGKG: Begrenzung des zweitinstanzlichen Verfahrenswertes

 

Rz. 34

N. Schneider[37] hat hierzu folgendes Beispiel gebildet:

F klagt Unterhalt für die ersten zwölf Monate ein mit monatlich 1.000,00 EUR und will für das zweite Jahr 1.200,00 EUR monatlich. M wird verurteilt und legt Beschwerde ein, indem er sich gegen die Unterhaltszahlung nach Ablauf eines Jahres wehrt.

Die ersten zwölf Monate haben einen Wert von 12 × 1.000,00 EUR = 12.000,00 EUR, die zweiten zwölf Monate einen Wert von 12 × 1.200,00 EUR = 14.400,00 EUR. N. Schneider ist der Meinung, dass dennoch wegen § 40 Abs. 2 S. 1 FamGKG nur 12.000,00 EUR angesetzt werden dürfen. Es fragt sich aber, ob es nicht doch 14.400,00 EUR sind, weil ein anderer Zeitraum eben ein anderer Verfahrensgegenstand (§ 40 Abs. 2 S. 2 FamGKG) ist, der in 1. Instanz noch nicht bewertet werden konnte (§ 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG).

 

Rz. 35

Der Wert eines Verfahrens in 2. Instanz kann sich ohne Änderung des Verfahrensgegenstandes auch erhöhen, wenn nämlich in der 2. Instanz die Billigkeitsregel eingreift, §§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 3, 47 Abs. 2, 48 Abs. 3, 49 Abs. 2 FamGKG. Es kann nicht sein, dass durch die Begrenzungsvorschrift die Billigkeitsregeln außer Kraft gesetzt werden. In einem solchen Fall wird § 40 Abs. 2 S. 2 FamGKG entsprechend angewandt werden können.[38]

N. Schneider hat hierzu folgendes Beispiel gebildet:[39]

Das Umgangsverfahren 1. Instanz war durchschnittlich und wurde mit 3.000,00 EUR bewertet. In der 2. Instanz hat sich das Verfahren stark ausgeweitet und ist sehr umfangreich geworden. Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 40 Abs. 2 S. 1 FamGKG) wäre der Gebührenwert 3.000,00 EUR, nämlich nicht höher als in 1. Instanz. Zutreffend widerspricht Schneider und wendet § 40 Abs. 2 S. 2 FamGKG entsprechend an.

[37] HK-FamGKG/N. Schneider, § 40 Rn 42 f.
[38] HK-FamGKG/N. Schneider, § 40 Rn 47 f.
[39] HK-FamGKG/N. Schneider, § 40 Rn 48 f.

4. § 39 Abs. 2 FamGKG

 

Rz. 36

Betreffen Antrag und Widerantrag denselben Gegenstand, werden die Werte nicht zusammengerechnet, sondern ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für Antrag und Widerantrag in 1. Instanz (s. § 8 Rdn 163 ff.).

5. Missbräuchliche Antragsbegrenzung

 

Rz. 37

 

Beispiel

Es waren in 1. Instanz monatlich 800,00 EUR Unterhalt gefordert worden, der Antrag wurde abgewiesen. Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt. Während der Ausarbeitung der Beschwerdebegründung erkennt der Anwalt, dass die Beschwerde doch keine Aussicht auf Erfolg hat. Statt sie sofort zurückzunehmen, stellt er einen Beschwerdeantrag auf monatlich 100,00 EUR Unterhalt und nimmt ers...

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