Rz. 105

Ausgebautes Dachgeschoss.

 

Beispiel

A verkauft seine Wohnung nach Durchführung einer Besichtigung unter Ausschluss der Gewährleistung an B. Das Dachgeschoss ist als Wohnraum ausgebaut; nach der Teilungserklärung handelt es sich um aber um eine "Bühne". Als B den Widerspruch zur Teilungserklärung bemerkt, verlangt er Schadensersatz und die Rückabwicklung des Kaufvertrags.

 

Rz. 106

Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass die Wohnung weder Sach- noch Rechtsmängel aufweise; denn B hat das nach Grundbucheintragung und Teilungserklärung definierte Wohnungseigentum gekauft und dieses auch erhalten. Das sah die Rspr. früher allerdings anders: Weil A und B beim Abschluss des Kaufvertrags davon ausgingen, das Dachgeschoss sei Wohnraum, wurde die davon abweichende Eigenschaft des Dachbodens als Rechtsmangel angesehen. Außerdem nahm die Rspr. an, dass A die (Neben-)Pflicht traf, auf die Unzulässigkeit des Dachgeschossausbaus hinzuweisen, da B erkennbar dem Irrtum erlag, auch dort (rechtmäßigen) Wohnraum zu erwerben. Nach früherer Rspr. haftete der A also entweder gem. §§ 437 ff. BGB oder gem. § 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (ehem. sog. culpa in contrahendo – c.i.c.) auf Schadensersatz.[141] Im Jahr 2015 entschied der BGH, dass Angaben des Verkäufers (insbes. solche in Exposés), die keinen Eingang in den notariellen Kaufvertrag fanden, mangels Beurkundung unwirksam sind,[142] was gegen eine Haftung des A im Beispielsfall spricht. In späteren Urteilen hingegen bejahte der BGH einen Sachmangel wegen des Fehlens einer Eigenschaft, die zwar im Exposé, nicht aber im Kaufvertrag erwähnt war.[143] Geht man davon aus, dass der Verkäufer für fehlerhafte Eigenschaftsangaben (gleichgültig, ob diese bei Gelegenheit der Besichtigung – wie im Beispiel – gemacht wurden oder in einem Exposé oder anderen "öffentlichen Äußerungen" i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB) prinzipiell haftet, kommt es auf den (in der Praxis absolut üblichen) Gewährleistungsausschluss an.[144] Dieser schließt Ansprüche des B nicht aus, führt aber zu einer Verschiebung des Verschuldensmaßstabs, denn gem. § 444 BHB kann sich A darauf nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Ergebnis begründen somit nur "vorsätzliche falsche Angaben des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache, die nicht Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung geworden sind, einen Anspruch des Käufers auf Schadensersatz aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten."[145] A hat die Wohnung zwar kommentarlos vorgeführt und dadurch einen Irrtum des B hervorgerufen (bzw. nicht ausgeräumt), aber nicht behauptet, der ausgebaute Dachboden sei zulässiger Wohnraum. Es kommt somit zunächst darauf an, ob den A diesbezüglich eine Aufklärungspflicht traf, was nicht sicher ist. Wenn man eine solche Aufklärungspflicht im konkreten Fall bejaht, muss B dem A Arglist nachweisen; das ist schwierig (siehe dazu die folgende Variante).

 

Rz. 107

 

Variante

Im vorstehenden Beispielsfall liegt zwar kein Widerspruch zur Teilungserklärung vor, dem ausgebauten Dachgeschoss fehlt aber die (behördliche) Baugenehmigung.

 

Rz. 108

Es liegt ein Sachmangel vor.[146] Der Gewährleistungsausschluss steht Mängelrechten des B gem. § 444 BGB nicht entgegen, wenn A den Mangel arglistig verschwiegen hat. "Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig im Sinne von § 444 BGB, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte".[147] B muss also beweisen, dass A von der fehlenden Baugenehmigung Kenntnis hatte.[148] Wenn B das gelingt, kann A allerdings noch behaupten, er habe den B vor dem Vertragsschluss über die fehlende Baugenehmigung aufgeklärt; dann muss B beweisen, dass die Aufklärung nicht erfolgte,[149] was schwierig sein dürfte.

 

Rz. 109

Auskunftspflichten. Wie vorstehend schon deutlich wurde, muss ein Verkäufer den Käufer grundsätzlich nicht ungefragt über alle Umstände aufklären, die für dessen Kaufentscheidung von Bedeutung sein können. Ob eine Aufklärungspflicht bei Zerstrittenheit der Gemeinschaft besteht, ist eine Frage des Einzelfalls. "Normale Nachbarstreitigkeiten" sind nicht ungefragt zu offenbaren. Bei unverträglichen Miteigentümern, die sich permanent über alles Mögliche beschweren, wurde eine Aufklärungspflicht verneint,[150] bei einem psychisch kranken und aggressiven Miteigentümer hingegen bejaht.[151] Bejaht wurde die Aufklärungspflicht auch bei anstehenden erheblichen und dringenden Sanierungsmaßnahmen[152] und bei einer Sozialbindung einer (mit öffentlichen Mitteln geförderten) Wohnung.[153]

[141] OLG Schleswig v. 23.4.2015 – 6 U 20/14, ZMR 2015, 979; LG Verden v. 4.12.2012 – 4 O 163/12, ZMR 2013, 287 ("Mansardenzimmer"); BGH v. 26.9.2003 – V ZR 217/02, ZMR 2004, 278.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge