a) Öffentlich-rechtliche Gebühren

 

Rz. 33

Die hier interessierenden öffentlich-rechtlichen Abgaben (Gebühren und Beiträge) werden auf der Grundlage der Kommunalabgabengesetze der Länder und der darauf beruhenden kommunalen Satzungen erhoben. Nach dem Kommunalabgabenrecht können die Kommunen für die Benutzung ihrer Einrichtungen Gebühren erheben. Die Kommunen könnten die WEG als solche, obwohl sie sachenrechtlich nicht die Eigentümerin des Grundstücks ist, als Gebührenschuldner in Anspruch nehmen; das ist schon lange unstreitig und ergibt sich jetzt aus § 9a Abs. 2 WEG, wonach die Gemeinschaft für die Erfüllung der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Pflichten zuständig ist.[45] Das geschieht aber im Normalfall nicht. Die kommunalen Satzungen für Abwasser, Straßenreinigung, Schornsteinfeger und Abfallentsorgung sehen vielmehr regelmäßig vor, dass der Grundstückseigentümer Gebührenschuldner ist. Und weil das Grundstück den Wohnungseigentümern gemeinsam gehört, lässt die Rechtsprechung seit jeher eine Inanspruchnahme der Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner zu.[46] Daran hat sich durch die WEG-Reform 2020 nichts geändert, denn das Wohnungseigentumsgesetz kann die öffentlich-rechtliche Gebührenpflicht der einzelnen Miteigentümer nicht aufheben.[47] Der jeweilige Satzungsgeber soll nicht dazu verpflichtet sein, die Eigentümer von Wohnungseigentum von der Gesamtschuldhaftung auszunehmen und für sie eine lediglich persönliche Haftung zu begründen.[48] Ein Anspruch auf separate Veranlagung/Bescheidung ("gebäudebezogener Abgabenbescheid") wird selbst bei Mehrhausanlagen mit separaten Mülltonnen verneint.[49]

 

Rz. 34

Kritik: Die gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer ist abzulehnen, ein Anspruch auf persönliche Veranlagung hingegen (im Einzelfall) anzuerkennen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Mit der Gesamtschuldhaftung wird die in § 9a Abs. 4 WEG angeordnete Haftungsbeschränkung auf den Miteigentumsanteil übergangen; die Befürworter der Gesamtschuldhaftung halten dies mit dem (formalen) Argument für hinnehmbar, die Regelung des § 9a Abs. 4 WEG habe eine Haftung für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft zum Gegenstand und gelte von vornherein nicht für die öffentlich-rechtliche Haftung des Einzelnen als Grundstücks(mit)eigentümer. Die Haftung eines einzelnen Wohnungseigentümers für die Kosten der von seinen Miteigentümern produzierten Abfälle oder deren Wasserverbrauch verstößt ferner gegen den öffentlich-rechtlichen Grundsatz der Gebührengerechtigkeit (Äquivalenzprinzip).[50] Es handelt sich insoweit nicht um "grundstücksbezogene" Gebühren, sondern um Kosten des Sondereigentums; der einzelne Wohnungseigentümer ist nicht "Benutzer" der Abfallentsorgung, soweit es um Abfälle oder Wasserverbräuche geht, die in anderen Wohnungen anfielen. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls ermessensfehlerhaft, wenn die öffentliche Hand einen einzelnen Miteigentümer als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt, obwohl sie genauso gut zunächst die Gemeinschaft in Anspruch nehmen könnte.[51] Zumindest muss der Gebührenbescheid erkennen lassen, dass der Kommune bewusst war, dass sie auch die WEG in Anspruch nehmen konnte und sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hatte.[52]

 

Rz. 35

In formeller Hinsicht muss ein Gebührenbescheid den Gebührenschuldner und die Höhe seiner Zahlungspflicht mit Bestimmtheit erkennen lassen. Ein Bescheid, der diesen Anforderungen an die Bestimmtheit nicht genügt, ist nichtig. Deshalb können aus einem an die WEG gerichteten Abfallgebührenbescheid nicht die einzelnen Wohnungseigentümer herangezogen werden. Die Bekanntgabe eines Gebührenbescheides muss gegenüber dem Gebührenschuldner erfolgen. Richtet eine Kommune den Bescheid gegen die Wohnungseigentümer als Grundstückseigentümer (statt gegen die Gemeinschaft), besteht (anders als vor der WEG-Reform 2020) keine Empfangszuständigkeit des Verwalters; es verhält sich nicht anders als bei den Angrenzerbenachrichtungen bzw. bei der Zustellung einer das Nachbargrundstück betreffenden Baugenehmigung (→ § 4 Rdn 167).

 

Rz. 36

Im Innenverhältnis zu den Wohnungseigentümern ist gem. § 9a Abs. 2 WEG die Gemeinschaft verpflichtet, die öffentlich-rechtlichen Abgabenpflichten wahrzunehmen. Wird also ein Wohnungseigentümer im Außenverhältnis (von einer Kommune) als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, hat er einen Freistellungsanspruch gegen die WEG. Die WEG muss die Forderung begleichen oder, wenn ihre Rechtmäßigkeit zweifelhaft ist, im Zusammenwirken mit dem in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer Maßnahmen zur Abwehr ergreifen und eine Vollstreckung aus dem Bescheid verhindern. Erfüllt der in Anspruch genommene Wohnungseigentümer die Abgabenforderung, steht ihm gegen die Gemeinschaft ein Erstattungsanspruch zu.[53]

[46] OVG Bremen v. 23.11.2018 – 2 B 194/18, NZM 2019, 219; VG Neustadt (Weinstraße) v. 11.12.2014 – 4 K 777/14.NW, ZWE 2015, 102; VG Gelsenkirchen v. 11.2.2014 – 13 K 1109/13, ZWE 2014, 294. Tendenziell bejahend, aber letzt...

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