Rz. 82

Die Entscheidung ergeht auch in Familienstreitsachen gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG nach § § 38, 39 FamFG durch einen Beschluss mit Rechtsmittelbelehrung. Gemeint sind – wie die Legaldefinition des § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG zeigt – allein Endentscheidungen, also solche Entscheidungen, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird. Nach der Legaldefinition ist eine Endentscheidung also durch zwei Merkmale gekennzeichnet: Sie muss zumindest einen Teil des Verfahrensgegenstands betreffen und diesen zugleich erledigen, das heißt ihn für die Instanz abschließen.[103] Die Endentscheidung ist entsprechend § 300 Abs. 1 ZPO im Falle der Entscheidungsreife zu treffen.[104]

Den Beschlüssen[105] im Sinne von § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG stehen Beschlüsse in Zwischen- und Nebenentscheidungen gegenüber, so zum Beispiel §§ 3 Abs. 1 S. 1, 5 Abs. 3, 6 Abs. 2, 7 Abs. 5 S. 1, 10 Abs. 3 S. 1, 21 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 1, 44 Abs. 4 S. 3, 89 Abs. 1 S. 3 FamFG.

 

Rz. 83

Es sind bei Beschlüssen im Sinne von § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG drei unterschiedliche Zeitpunkte zu unterscheiden: Der Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses (Legaldefinition in § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG), der Zeitpunkt in dem der Beschluss wirksam wird sowie der Zeitpunkt, in dem die Rechtskraft des Beschlusses eintritt.

 

Rz. 84

Der Erlass des Beschlusses bestimmt sich auch in Ehe- und Familienstreitsachen nach der Legaldefinition des § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG. Hiernach erfolgt der Erlass entweder durch Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder mit der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel.

 

Rz. 85

Mit seinem Erlass wird der Beschluss existent.[106] Existent geworden und damit "erlassen" ist der Beschluss, wenn er mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgetreten ist.[107] Das Gericht muss sich des Beschlusses willentlich entäußert haben. Im Falle der Übergabe an die Geschäftsstelle ist entscheidend, dass die Urschrift des vom Gericht unterzeichneten Beschlusses übergeben wird. Die Übergabe erfolgt dadurch, dass sich das erlassende Gericht der Urschrift mit Bekanntgabewillen in Richtung der Geschäftsstelle entäußert und die Urschrift in den Machtbereich der Geschäftsstelle gelangt.[108] Notwendig und entscheidend ist also der Entäußerungswille des Gerichts. Im Gegensatz zu der zu § 329 Abs. 2 ZPO ergangenen Rechtsprechung[109] ist damit gerade nicht erforderlich, dass der Beschluss die Geschäftsstelle bereits mit der unmittelbaren Zweckbestimmung der Bekanntgabe verlassen hat. Es müssen deshalb keine weiteren Handlungen der Geschäftsstelle erfolgt seien, wie zum Beispiel das Einlegen einer Ausfertigung in das Gerichtsfach eines Bevollmächtigten, das Abtragen einer Ausfertigung aus dem Ausgangsfach der Geschäftsstelle zwecks Aufgabe zur Post[110] oder die fernmündliche Mitteilung des Beschlussinhalts an den Bevollmächtigten.[111]

 

Rz. 86

Beschlüsse, die aufgrund auch nur freigestellter mündliche Verhandlung ergehen, müssen gemäß § 329 Abs. 1 S. 1 ZPO verkündet werden, Urteile nach § 311 Abs. 2 ZPO. Die Endentscheidungen in Familienstreitsachen, also Beschlüsse im Sinne von § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG, müssen deshalb jedenfalls verkündet werden, unabhängig davon, welche Vorschrift anzuwenden ist. Der diesbezüglich bestehende Streit[112] hat gleichwohl erhebliche Bedeutung, da hiervon entscheidend die erforderliche Art und Weise der Verkündung – und damit des Erlasses – abhängt: Nach den gemäß § 329 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht anwendbaren §§ 310 Abs. 2, 311 Abs. 1 bis Abs. 3 ZPO muss der Beschluss bei der Verkündung vollständig abgefasst sein, der Beschluss ergeht im Namen des Volkes, die Verkündung hat durch Bezugnahme auf die Gründe zu erfolgen, wenn bei der Verkündung niemand erscheint, der wesentliche Inhalt der Gründe ist den erschienenen Beteiligten mitzuteilen. Sind die §§ 310 Abs. 2, 311 Abs. 1 bis Abs. 3 ZPO anwendbar, so ist ein nach diesen Vorschriften nicht ordnungsgemäß verkündeter Beschluss nicht erlassen, d.h. er ist nicht vorhanden.[113]

 

Rz. 87

 

Praxistipp

Entgegen der Rechtsprechung des RG,[114] nach der jedes Urteil, das nicht ordnungsgemäß verkündet wurde, als nicht erlassen und somit als Nichturteil anzusehen war, ist nach der Rechtsprechung des BGH[115] ein mangels Erlass vorliegendes "Nichturteil" nur dann gegeben, wenn bei seiner Verlautbarung Formvorschriften verletzt worden sind, die als unerlässlich angesehen werden müssen. Bei Verstößen gegen § 310 ZPO dürfte kaum je ein nicht erlassenes Urteil bzw. ein nicht erlassener Beschluss vorliegen.[116] Ein Verstoß gegen das Gebot, dass Urteilsformel bei der Verkündung schriftlich vorliegen muss (argumentum e § 311 Abs. 2 S. 3 ZPO) gehört sowohl bei der Verkündung des Urteils bzw. Beschlusses durch Vorlesung der Urteilsformel (§ 311 Abs. 2 S. 1 ZPO) als auch bei der Verkündung durch Bezugnahme (§ 311 Abs. 2 S. 2 ZPO) zu den wesentlichen Formerfordernissen für die Verlautbarung eines Urteils, deren Verletzung das Existentwerden des Urteils verhindert und die Entscheidu...

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