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Nach dem bisherigen bis zum Inkrafttreten des FamFG geltenden Rechts ging man davon aus, dass auch solche Verfahren Familiensachen seien, die zwar nicht vom Wortlaut der Zuständigkeitskataloge erfasst wurden, aber mit einer aufgeführten Familiensache sachlich eng zusammenhingen.[25] Grundsätzlich seien auch alle diejenigen Ansprüche zu erfassen, deren Zuweisung in den Zuständigkeitsbereich des Familiengerichts nach Sinn und Zweck dieser Normen geboten erscheine.[26]

Das FamFG hat die Zuständigkeit der Familiengerichte insbesondere durch die Regelung der "sonstigen Familiensachen" im Sinne der §§ 111 Nr. 10, 266 FamFG, aber auch der Gewaltschutzsachen im Sinne der §§ 111 Nr. 6, 210 FamFG, als Familiensachen erheblich erweitert und bisher bestehende Streitpunkte beseitigt. So erweitert § 266 FamFG die Familiensachen insbesondere auf vermögensrechtliche Streitigkeiten, für die bisher die Zivilgerichte zuständig waren, obschon sie aus einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis hervorgehen oder zumindest ein enger Zusammenhang mit einem solchen besteht. Der häufig benutzte Ausdruck "Großes Familiengericht" sollte gleichwohl nicht gebraucht werden. Weder existiert der Ausdruck im Gesetz, noch ist er sachlich zutreffend – worauf Hartmann[27] zutreffend und dezidiert aufmerksam gemacht hat. Das Familiengericht ist nämlich nach wie vor nicht für alle Streitigkeiten mit Familienbezug zuständig, zum Beispiel nicht für solche mit erbrechtlichem Hintergrund und auch nicht für die betreuungsrechtlichen Verfahren.[28]Löhnig[29] kritisiert insbesondere, dass § 210 FamFG die Zuständigkeitsspaltung in Gewaltschutzsachen perpetuiere und zudem ausweitete, weil die Halbjahresfrist als familiengerichtliche Zuständigkeitsgrenze entfallen sei und § 210 FamFG nun alle Verfahren nach §§ 1 und 2 Gewaltschutzgesetz als Familiensachen einordne, weiterhin aber nicht auf vergleichbare Ziele gerichtete Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog und §§ 238 Abs. 1 StGB, 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog sowie Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, obschon das Gewaltschutzgesetz selbst keine materiellrechtliche Anspruchsnorm enthalte, sondern auch im Rahmen dieses Gesetzes auf § 1004 Abs. 1 BGB zurückzugreifen sei. Diese Kritik trifft nicht zu.[30] Auch die Abgrenzungsfragen bei Mitarbeit eines Ehegatten im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten lassen sich mit der bestehenden gesetzlichen Regelung lösen.[31]

Gleichwohl ist es nach wie vor – wenn auch in geringerem Umfang – erforderlich auch solche Verfahren als Familiensachen einzuordnen, die auf eine allgemeine Rechtsgrundlage gestützt werden, die nicht unmittelbar oder ausschließlich den in § 111 FamFG aufgezählten Sachgebieten zuzurechnen ist, wenn materiellrechtlich oder verfahrensrechtlich ein enger sachlicher Zusammenhang mit den Katalogverfahren besteht.[32]

[25] Thomas/Putzo/Hüßtege, 32. Aufl. 2011, § 621 Rn 8 ff.
[26] BGH NJW 1978, 1531, 1533.
[27] In: Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 111 Rn 1, § 266 Rn 1; NJW 2009, 321.
[28] MüKo-FamFG/Erbarth § 266 Rn 1.
[29] FPR 2011, 65, 67 f.
[30] Vgl. dazu ausführlich MüKo-FamFG/Erbarth, § 210 Rn 5.
[31] MüKo FamFG/Erbarth, § 266 Rn 12, Rn 69 ff.
[32] MüKo-FamFG/Fischer, § 111 Rn 24 f.; Prütting/Helms/Helms, § 111 Rn 27 ff.

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