Rz. 42

Die Ehe von M und F1 wurde nach kurzer Dauer geschieden. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. M ist nunmehr mit F2 verheiratet. Aus der Ehe ist das 2-jährige Kind K1 hervorgegangen. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 2.000 EUR. F1 hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.000 EUR. F1 kann kein höheres Einkommen erzielen. F2 hat kein Einkommen; sie betreut das 2-jährige Kind. F1 verlangt von M Unterhalt.

I. Kindesunterhalt

 

Rz. 43

Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe § 1 Rdn 1 ff.) verwiesen.

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.000 EUR.

Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 2 (1.901 bis 2.300 EUR) zur Anwendung.

Es sind 3 Unterhaltsberechtigte vorhanden.

Eine Herabstufung in die Einkommensgruppe 1 (Mindestunterhalt) ist deshalb geboten.

Kind K1 ist 2 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 1.

Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 396 EUR.

Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen.

Der Unterhalt für K1 beträgt somit 286,50 EUR (396 – 109,50 EUR).

II. Ehegattenunterhalt der F1

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 44

Bei F1 soll im Fallbeispiel ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehen.

2. Bedarf der F1

a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F1

aa) Kein Vorwegabzug des Kindesunterhalts aus zweiter Ehe

 

Rz. 45

Das Kind K1 ist aus der zweiten Ehe (nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren) und hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt.

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09

Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.

Der Kindesunterhalt ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen (vgl. im Einzelnen Fall 41; siehe § 12 Rdn 1 ff.).

bb) Kein Vorwegabzug des Ehegattenunterhalts für F2

 

Rz. 46

F2 ist zwar vorrangig, doch haben Rangfragen erst bei der Leistungsfähigkeit Bedeutung.

Die Unterhaltsverpflichtung aus der zweiten Ehe hat naturgemäß auch nicht die Lebensverhältnisse der ersten Ehe geprägt. Eine Berücksichtigung mit dem Argument der "Wandelbarkeit der ehelichen Verhältnisse" hat das BVerfG abgelehnt.

Der Unterhalt für die zweite Ehefrau ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen (vgl. im Einzelnen Fall 41; siehe § 12 Rdn 1 ff.).

 

BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32

Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies gilt grundsätzlich insbesondere für die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, die erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 26 m.w.N. und Senatsbeschluss vom 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Rn 15 m.w.N.).

 

Hinweis

Bei der Bestimmung des Bedarfs der zweiten Ehefrau wird der Unterhalt für die erste Ehefrau aber zu berücksichtigen sein.

b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1

 

Rz. 47

Bereinigtes Nettoeinkommen der F1: 1.000 EUR

Erwerbstätigenbonus F1: 1.000 EUR × 10 % = 100 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen: 1.000 – 100 EUR = 900 EUR

c) Keine Bestimmung des Bedarfs von F1 nach der Dreiteilungsmethode

 

Rz. 48

Die Dreiteilungsmethode kommt hier nicht zur Anwendung (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 8 ff.).

d) Halbteilungsgrundsatz

 

Rz. 49

Der Bedarf von F1 ist also unabhängig vom Unterhaltsanspruch der F2 und unabhängig vom Unterhaltsanspruch des Kindes aus zweiter Ehe nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 19).

Vom Einkommen des M ist lediglich der Erwerbstätigenbonus abzuziehen.

Bereinigtes Nettoeinkommen des M: 2.000 EUR

Erwerbstätigenbonus M: 2.000 EUR × 10 % = 200 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen M: 2.000 – 200 EUR = 1.800 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1: 900 EUR

Bedarfsermittlung nach der Halbteilungsmethode

Bedarf von F1 ist ½ aus 2.700 EUR (1.800 + 900 EUR) = 1.350 EUR

3. Ungedeckter Restbedarf der F1 (Unterhaltshöhe)

 

Rz. 50

Ungedeckter Restbedarf von F1 = Bedarf abzüglich (das um den Erwerbstätigenbonus gekürzte) Eigeneinkommen

Rechnerischer Unterhaltsanspruch der F1: 450 EUR (1350 – 900 EUR)

4. Leistungsfähigkeit des M

 

Rz. 51

M hätte 450 EUR Unterhalt für F1 aufzubringen.

Ihm blieben 1.550 EUR (2.000 – 450 EUR) aus dem der Kindesunterhalt (286,50 EUR) und auch der Unterhalt für die kinderbetreuende F2 aufzubringen wäre.

Solche Unterhaltspflichten können Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des M haben.

 

§ 1581 Leistungsfähigkeit

Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, so braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.

Eine weitere Unterhaltspflicht kann eine sonstige Verpflichtung i.S.v....

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