Rz. 13

Nach der Entscheidung des BVerfG ist strikt zwischen den Prüfungsstufen Bedarf, Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit und Rang zu unterscheiden. Schon das frühere Unterhaltsrecht folgte diesem Konzept, also dieser Prüfungsabfolge.

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 57

Die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt nach diesem normativen Konzept den Ausgangspunkt der Unterhaltsberechnung dar, an dessen Ermittlung sich die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sowie der Verteilung verfügbarer Geldmittel des Pflichtigen im Mangelfall anschließt.

Mit der Ausrichtung des Unterhaltsmaßes an den "ehelichen Lebensverhältnissen" hat der Gesetzgeber auf die individuellen Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten Bezug genommen, die er zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung bestimmt wissen will.

 

Rz. 14

Die Unterscheidung zwischen den Fragen, was der Unterhaltsberechtigte benötigt und was der Unterhaltspflichtige letztlich leisten kann, ist weiterhin geboten.

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 58

Nach wie vor differenziert er (Anm.: der Gesetzgeber) bei der Prüfung der Gewährung nachehelichen Unterhalts zwischen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten gemäß § 1569 BGB n.F., dessen Unterhaltsbedarf nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nach § 1581 BGB sowie der Rangfolge im Mangelfall nach § 1609 BGB n.F.

Innerhalb dieser unverändert gebliebenen Systematik hat der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen einer zu Unterhalt berechtigenden Bedürftigkeit sowie die Herabsetzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs neu gestaltet und die Rangfolge beim Zusammentreffen mehrerer Unterhaltsansprüche im Mangelfall geändert, jedoch an der Ausrichtung des Unterhaltsmaßes sowie den Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen festgehalten.

Bei der Bestimmung des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten sind die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung maßgebend.

 

Rz. 15

Bei der Frage, was der Unterhaltsberechtigte benötigt (Bedarf), hat also weiterhin der Grundsatz der gleichen Teilhabe (Halbteilungsgrundsatz) zu gelten.

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 46

Das nacheheliche Unterhaltsrecht und insbesondere die verfahrensgegenständliche Bestimmung des Maßes nachehelich zu gewährenden Unterhalts nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf danach einer rechtlichen Ausgestaltung, bei der die Handlungsfreiheit sowohl des Unterhaltsberechtigten wie auch des Unterhaltsverpflichteten unter Berücksichtigung des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG in Ausgleich zu bringen ist. Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG schützt als wertentscheidende Grundsatznorm die Ehe als Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner, in der die Ehegatten ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen und bei der die Leistungen, die sie im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung jeweils erbringen, als gleichwertig anzusehen sind. Aus dieser Gleichwertigkeit folgt, dass beide Ehegatten grundsätzlich Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben, das ihnen grundsätzlich zu gleichen Teilen zuzuordnen ist (vgl. BVerfGE 105, 1 <10 ff.>). Das Prinzip gleicher Teilhabe gilt nicht nur während des Bestehens der Ehe, sondern entfaltet für den Fall eines gesetzlich geregelten Unterhaltsanspruchs seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung, insbesondere auf die unterhaltsrechtliche Beziehung der Eheleute untereinander. Bei der Unterhaltsbemessung ist das Einkommen, das den Lebensstandard der Ehe geprägt hat, den Ehegatten daher grundsätzlich hälftig zuzuordnen, unabhängig davon, ob es nur von einem oder von beiden Ehegatten erzielt worden ist (vgl. BVerfGE 63, 88 <109>; 105, 1 <12>). Bei der gesetzlichen Ausgestaltung des nachehelichen Unterhaltsrechts ist zudem zu berücksichtigen, dass einander nachfolgende Ehen durch Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gleichrangig und gleichwertig geschützt werden (vgl. BVerfGE 66, 84 <94 f.>; 108, 351 <364>). Damit sind Modifikationen des Grundsatzes gleicher Teilhabe nicht ausgeschlossen.

 

Rz. 16

Der Bedarf ist wie nach dem vor 2008 geltenden Recht nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung zu bestimmen (Stichtagsprinzip).

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 60

Demgegenüber hat der Gesetzgeber § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB keiner Änderung unterzogen. Der Unterhaltsbedarf ist danach weiterhin an den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen. An diesen unverändert gebliebenen Maßstab hat der Gesetzgeber auch mit dem neu geschaffenen § 1578b BGB angeknüpft, der die Möglichkeit eröffnet, den nachehelichen Unterhalt unabhängig von der Grundlage, auf der er gewährt wird, im Einzelfall herabzusetzen und zeitlich zu begrenzen. Der Gesetzgeber hat damit unterstrichen, dass der Unterhaltsbedarf grundsätzlich ...

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