Rz. 1

Aufgrund eines – gesetzlich nicht geregelten – Treuhandvertrages hat ein Treuhänder – etwa ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer oder eine Gesellschaft dieser Berufskreise (vgl. § 9 Rdn 9) – Vermögensinteressen seines Auftrag-(Treu-)gebers und/oder eines Dritten im Rahmen und nach Maßgabe der Treuhandabrede zu wahren.[1] Aus einer solchen Tätigkeit kann der Treuhänder seinem Auftrag-(Treu-)geber oder einem Dritten haften (vgl. Rdn 44 ff.).[2] Die Treuhandtätigkeit gehört zum Berufsbild des Rechtsanwalts.[3]

[1] BGHZ 32, 67, 70 f.; BGH, NJW 1966, 1116; BGH, WM 1969, 935; BGH, 18.10.2012 – III ZR 150/11, WM 2012, 2186, Tz. 23; vgl. Zugehör, Grundsätze, Rn 205 ff.; J. Müller, AnwBl. 2007, 787 (Haftungsrisiko); von Rom, WM 2008, 813 u. Cranshaw, WM 2009, 1682 (Sicherheiten- und Sicherungstreuhand); Möllers, WM 2008, 93 (Vermögensbetreuung).
[2] D. Fischer, WM 2014, Sonderbeilage Nr. 1, S. 40.
[3] BGH, 30.7.2015 – I ZR 18/14, WM 2016, 400, Tz. 29; D. Fischer, WM 2019, Sonderbeilage Nr. 1, S. 39.

I. Treuhandverhältnis

 

Rz. 2

Ein rechtsgeschäftliches Treuhandverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Treugeber dem Treuhänder einen Gegenstand (Treugut) überträgt oder über eine Bevollmächtigung oder Ermächtigung Rechtsmacht über sein Vermögen einräumt und die sich daraus nach außen ggü. Dritten ergebende Rechtsstellung des Treuhänders gemäß der schuldrechtlichen Treuhandabrede – im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder – nach § 137 Satz 2 BGB beschränkt ist.[4] Diese Treuhandvereinbarung ist das Rechtsgeschäft, das einer solchen Einräumung von Rechtsmacht über fremdes Vermögen zugrunde liegt; sie verknüpft das Vertrauen des Treugebers mit der Treuepflicht des Treuhänders. Die Treuhandabrede kann offen[5] oder verdeckt[6] sein.

 

Rz. 3

Ein Treuhandvertrag ist, falls der Treuhänder unentgeltlich tätig werden soll, ein Auftrag (§§ 662 ff. BGB),[7] bei Vereinbarung eines Entgelts ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB).[8]

Ein solcher Vertrag ist grds. formlos wirksam, es sei denn, dass ausnahmsweise ein Formzwang gelten kann, etwa wenn – außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 667, 675 Abs. 1 BGB – eine Pflicht zum Erwerb eines Grundstücks (§ 311b Abs. 1 BGB)[9] oder zur Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 4 GmbHG) begründet wird.[10] Die Berufung des Beauftragten auf einen Formmangel kann gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen und deswegen unbeachtlich sein.[11]

 

Rz. 4

Ein Treuhandverhältnis kann untypisch sein, wenn es von gesellschaftsrechtlichen Bindungen überlagert wird.[12]

 

Rz. 5

Ein Treuhandvertrag, über den sich ein Anleger mittelbar an einer Publikums-GbR beteiligt, kann ein widerrufliches Haustürgeschäft sein (§§ 312, 312a BGB).[13] Das gilt auch für einen unmittelbaren Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft.[14]

[4] Vgl. zur Treuhand eingehend Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973, S. 91 ff.; Liebich/Mathews, S. 59 ff.; Gernhuber, JuS 1998, 355; Henssler, AcP 196 (1996), 37; Grundmann, S. 11 ff.; Überblick bei Palandt/Herrler, BGB, § 903 Rn 33 ff.
[5] Vgl. BGH, WM 1990, 1954, 1955.
[6] Vgl. BGH, WM 1997, 2036, 2037 m.w.N.; BGHZ 134, 212, 215 = WM 1997, 335.
[7] BGH, WM 2002, 1440, 1441 = NJW 2002, 2459.
[8] BGH, WM 1969, 935; BGHZ 134, 212, 215 = WM 1997, 335; BGH, 10.2.2015 – VI ZR 569/13, WM 2015, 610, Tz. 21; D. Fischer, WM 2019, Sonderbeilage Nr. 1, S. 39.
[9] BGHZ 85, 245, 248 ff. = NJW 1983, 566; BGHZ 127, 168, 170 ff. = NJW 1994, 3346 m.w.N., zu § 313 BGB a.F.
[10] BGHZ 141, 207, 210 ff.; BGH, WM 2004, 2441; BGH, 12.12.2005 – II ZR 330/04, WM 2006, 1388, 1389, Tz. 2 f.
[11] BGH, NJW 1996, 1960.
[13] BGHZ 148, 201, 203 = WM 2001, 1464, zum Haustürwiderrufsgesetz, das durch Art. 6 des Gesetzes v. 26.11.2001 (BGBl I, S. 3138) mit Wirkung v. 1.1.2002 aufgehoben wurde, vgl. BGH, 3.5.2011 – X ARZ 101/11, WM 2011, 1026.

II. Treuhandschaften

 

Rz. 6

Die Rechtsstellung des Treuhänders kann gemäß dem Treuhandzweck verschieden gestaltet werden.[15]

[15] RGZ 127, 341, 345.

1. Echte ("fiduziarische") Treuhand

 

Rz. 7

Bei der echten ("fiduziarischen") Treuhand wird der anvertraute Vermögenswert – das Treugut – dem Treuhänder zu vollem Recht übertragen; dieser darf seine im Außenverhältnis unbeschränkte Rechtsmacht jedoch nur i.R.d. zugrunde liegenden Treuhandvereinbarung ausüben.[16] Dann scheidet das Treugut aus dem Vermögen des Treugebers zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich aus.[17] Eine Verfügung des Treuhänders ist grds. auch dann wirksam, wenn sie der treuhänderischen Bindung widerspricht.[18]

 

Rz. 8

Zur Beendigung der Treuhand (vgl. auch Rdn 31 ff., § 1 Rdn 69 ff.) können die Vertragspartner eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB)[19] oder eine Befristung (§ 163 B...

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