Rz. 6

Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden im Zeitpunkt des Erbfalls nicht alle in der Person des Erblassers nach Maßgabe der Einzelsteuergesetze bereits entstandenen Steuern erklärt und die daraus entstandenen Steuerschulden beglichen sein. Dies gilt insbesondere für die laufenden Steuern, wie Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Zum Todeszeitpunkt bereits entstandene Steuerschulden sind Nachlassverbindlichkeiten, die im Wege der Universalsukzession gemäß § 45 AO auf den Erben übergehen.[8] Gleiches gilt aber auch für Steuerforderungen aus dem Steuerschuldverhältnis.

Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht rücken die Erben in die Position des Erblassers ein. Sie sind daher wie zuvor der Erblasser verpflichtet, dem Finanzamt Auskunft zu geben, auch haben sie steuerliche Betriebsprüfungen zu dulden.[9]

 

Rz. 7

Durch die Testamentsvollstreckung ändert sich an der Stellung des Erben als Steuerschuldner zunächst nichts. Die steuerlichen Mitwirkungspflichten werden jedoch teilweise auf den Testamentsvollstrecker verlagert oder treffen den Testamentsvollstrecker zusätzlich zu den Erben. In welchem Umfang dies der Fall ist, richtet sich nach der jeweiligen Steuerart.

[8] Klein/Ratschow, AO § 45 Rn 6.
[9] BFH, Urt. v. 9.5.1978 – VII R 96/75, BStBl 1978 II, 501; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.2.1990 – IV K 23/87, EFG 1990, 400.

I. Einkommensteuer

 

Rz. 8

Die persönliche Einkommensteuerpflicht des Erblassers endet mit seinem Tod.[10] Die für den Erblasser zu erstellende Einkommensteuererklärung erfasst daher nur die bis zu seinem Tod erzielten Einkünfte. Es findet, vorbehaltlich einer auch im Todesjahr des Erblassers mit dem länger lebenden Ehegatten-Erben möglichen Zusammenveranlagung (§ 26b EStG), keine Zusammenrechnung der Einkünfte des Erblassers mit den Einkünften der Erben statt.

 

Rz. 9

Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung für den Erblasser werden die Wahlrechte, die dem Erblasser zustanden, nunmehr durch den Testamentsvollstrecker ausgeübt. Zu diesen Wahlrechten gehören beispielsweise:

die Wahl der Zusammenveranlagung von Ehegatten gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 EStG,
die Möglichkeit, die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich oder durch Einnahme-Überschuss-Rechnung durchzuführen, § 4 Abs. 1, Abs. 3 EStG,
Bildung von Rücklagen, z.B. nach § 6b EStG,
die Wahlmöglichkeit für die Geltendmachung erhöhter Abschreibungen oder Sonderabschreibungen,
die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG.
 

Praxishinweis

Da die Ausübung der Wahlrechte unmittelbare Auswirkungen auf die Steuerlast hat und die Steuern von den Erben als Steuerschuldner zu begleichen sind, empfiehlt es sich für den Testamentsvollstrecker, rechtzeitig eine Abstimmung mit den Erben vorzunehmen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, welche Auswirkungen steuerliche Wahlrechte – beispielsweise die Wahl einer Abschreibungsmethode – auf die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Erben bei Weiternutzung von Wirtschaftsgütern haben.[11]

[10] Schmidt/Heinicke, EStG, Kommentar, § 1 Rn 14.
[11] Bengel/Reimann/Piltz/Holtz, Handbuch der Testamentsvollstreckung, § 8 Rn 16; a.A. Neubauer/Vassel-Knauf, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 46 Rn 110.

II. Umsatzsteuer

 

Rz. 10

Die Unternehmereigenschaft als solche ist grundsätzlich nicht vererblich.[12] Erben sind daher nur dann Unternehmer, wenn sie selbst in ihrer Person die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 UStG erfüllen, also insbesondere den geerbten Betrieb fortführen oder gegen Miet-, Pacht- oder Lizenzzahlung die weitere Nutzung von Nachlassgegenständen durch Dritte dulden.[13] Zu dieser Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit zählt auch die Veräußerung von dem Unternehmen des Erblassers zugeordneten Gegenständen.[14] Erben eines Unternehmens werden somit auch dann Unternehmer, wenn sie das Unternehmen des Erblassers nur noch abwickeln, weil sie mit der Abwicklung eine separate unternehmerische Tätigkeit ausüben.

 

Rz. 11

Führt der Testamentsvollstrecker ein Handelsgeschäft als Treuhänder der Erben fort, gilt er als Unternehmer.[15]

 

Rz. 12

Gemäß § 45 AO rücken die Erben als Gesamtrechtsnachfolger in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers auch bezüglich der Umsatzsteuer ein und schulden diese als Nachlassverbindlichkeit, soweit diese auf die unternehmerische Tätigkeit des Erblassers zurückgeht.

 

Rz. 13

Soweit der Erblasser steuerliche Wahlmöglichkeiten, beispielsweise die Option zur Umsatzbesteuerung bestimmter nach § 9 UStG optionsfähiger Umsätze ausgeübt hat, bleibt diese Entscheidung für die Erben bindend. Hat der Erblasser entsprechende Erklärungen noch nicht abgegeben, können die Erben dieses Wahlrecht auch noch in Bezug auf die vom Erblasser veranlassten Umsätze ausüben.[16] Bei entsprechender Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers kommt diese Befugnis anstelle der Erben ihm zu.[17]

[12] Bunjes/Korn, UStG, § 2 Rn 32.
[13] BFH, Urt. v. 19.11.1970 – V R 14/67, BStBl II 1971, 121; OFD Frankfurt a.M. v. 22.10.1996, DStR 1997, 71; UStAE 2.6 Abs. 5.

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